Das Jahr 2015 wird für die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern ein ganz und gar denkwürdiges Jubiläumsjahr. Vor genau 200 Jahren wurde die IKG gegründet, vor 70 Jahren, unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, neu belebt. Die Vorbereitungen für die Feierlichkeiten laufen bereits auf vollen Touren. Vormerken sollte man sich schon jetzt den 21. Juni. An diesem Sonntag findet auf dem Jakobsplatz ein großes buntes Fest für alle Münchner Bürger statt.
Die IKG hat bei der Ausrichtung des Bürgerfestes tatkräftige Hilfe erhalten: Das Kulturreferat der Landeshauptstadt ist Kooperationspartner, und auch die Anrainer am Jakobsplatz helfen engagiert mit. So wird das Motto »Nachbarn bauen Brücken« ein Beispiel für gelebte Solidarität. Darüber freut sich auch Charlotte Knobloch, für die das Jahr 2015 ebenfalls Anlass für ein ganz persönliches Jubiläum bietet. Seit 30 Jahren steht sie ununterbrochen als Präsidentin an der Spitze der IKG.
Festschrift Unklar ist lediglich noch, an welchem Tag genau der offizielle feierliche Festakt stattfinden wird. Sicher ist dagegen schon jetzt, dass viele namhafte Persönlichkeiten daran teilnehmen werden. Welche Bedeutung dem Jubiläum zugemessen wird, ist an der zurzeit noch in Arbeit befindlichen Festschrift erkennbar.
Darin werden wichtige Münchner Persönlichkeiten des gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Lebens Beiträge schreiben. Grußworte kommen unter anderem von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Joachim Gauck und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer.
Das Programm des Bürgerfestes hat schon jetzt, dreieinhalb Monate vorher, handfeste Konturen angenommen. Das Bühnenprogramm auf dem Jakobsplatz dürfte jeder Geschmacksrichtung entgegenkommen. Tanzdarbietungen der Gruppe »Genesis« aus dem Jugendzentrum gehören dazu, musikalische Beiträge von Chören ebenso wie Auftritte bekannter Künstler wie Marina Baranova und Laura Wachter. Fest eingeplant ist bereits eine Modenschau mit Kostümen, die den Wandel von 200 Jahren dokumentieren.
Unterhaltung Auch wissbegierige Bürger kommen auf ihre Kosten. In Synagoge, Kirche und Museen finden Führungen statt, in denen Hintergrundwissen vermittelt wird. Wer darüber hinaus noch mehr über die Geschichte der jüdischen Gemeinde erfahren möchte, der kann sich an Ständen mit Büchern informieren. Und natürlich wird für Unterhaltung gesorgt sein: Jongleure und Gaukler bereichern das Programm, das auch für Kinder einiges bereit hält.
Einblicke in das vergangene und aktuelle jüdische Leben soll eine Fotoausstellung vermitteln. Auf großen Schautafeln wird die Gemeinde am Jakobsplatz mit ihren vielen Facetten dargestellt. Jede dieser Tafeln erhält die Vignette einer berühmten jüdischen Persönlichkeit mit einer Kurzbiografie. Schalom Ben-Chorin, Kurt Landauer, die Familie Bernheimer und die IKG-Präsidenten werden dazugehören. Auch Fritz Neuland sel. A., der Vater von Charlotte Knobloch, spielt im Reigen dieser Persönlichkeiten eine wichtige Rolle. Er war im Jahr 1945 maßgeblich an der Wiedergründung der IKG beteiligt und danach viele Jahre deren Präsident.
Die Voraussetzung für die Gründung der IKG vor 200 Jahren war ein Edikt des Königreichs Bayern, das zwar immer noch an einer Begrenzung der Zahl jüdischer Bürger festhielt, aber die freie Religionsausübung erlaubte und eine öffentlich-rechtlich geregelte und staatlich garantierte Organisationsform ermöglichte. Israel Hirsch Pappenheimer sel. A. war von 1815 bis 1829 der erste Mann an der Spitze der IKG, Rabbiner Hesekiel Hessel von 1815 bis 1824 der erste Gemeindevorsteher der Münchner jüdischen Gemeinde.
wachstum Als 1861 die Begrenzung der Zahl jüdischer Bürger aufgehoben wurde, wuchs die jüdische Gemeinde rasant und wurde mit 2097 Bürgern die größte jüdische Gemeinde in Bayern. Die höchste Mitgliederzahl (11.083) erreichte die IKG im Jahr 1910. Heute hat die Kultusgemeinde nur unwesentlich weniger Mitglieder und ist die zweitgrößte Gemeinde in Deutschland.
Dazwischen liegen das NS-Regime und die Verfolgung und Ermordung nahezu aller in München lebenden Juden. »In der sogenannten Hauptstadt der Bewegung war die Verfolgung der Juden besonders intensiv«, weiß Charlotte Knobloch aus eigener Erfahrung. An der Hand ihres Vaters erlebte sie die Pogromnacht, als die Ohel-Jakob-Synagoge von SA-Männern verwüstet und in Brand gesteckt wurde. Die Hauptsynagoge in der Herzog-Max-Straße existierte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Sie war bereits im Juni 1938 auf persönlichen Befehl Adolf Hitlers abgerissen worden.
Heute befinden sich alle wesentlichen Einrichtungen der IKG im Gemeindezentrum am Jakobsplatz, wo auch die neue Ohel-Jakob-Synagoge steht. Eine bessere Kulisse für das Bürgerfest zum 200-jährigen Bestehen der Kultusgemeinde könnte es gar nicht geben.