Bei der Repräsentantenversammlung im April saß er noch an dem Tisch der Gemeindeältesten und begrüßte jeden auf seine freundliche, bescheidene Art. Nun wird Nathan Milgrom fehlen. Im Alter von 91 Jahren ist er gestorben. Am vergangenen Sonntag wurde er auf dem Friedhof Heerstraße beerdigt. Nathan Milgrom war ein echter Berliner, der in Mitte aufwuchs. Seine gesamte Familie wurde während der Schoa ermordet.
Milgrom konnte zunächst noch bei Verwandten arbeiten, wurde 1942 gefangen genommen und kam zuerst ins Ghetto Litzmannstadt, dann nach Majdanek. 1944 wurde er von der Roten Armee befreit. Er schloss sich der Hagana an, die ihn nach Berlin schickte, wo Milgrom für die jüdische Gemeinde ein Auswanderungsprogramm leitete. 1948 ging er nach Israel. Weil er das Klima nicht vertrug, kam er zurück nach Berlin. Hier lernte er seine spätere Frau Helga kennen und lieben. Sie sei das Beste gewesen, was ihm in seinem Leben passiert sei, hatte er einmal gesagt.
Gabbai Mehrere Hotels und ein Taxiunternehmen hat Milgrom betrieben. In seiner freien Zeit engagierte er sich ehrenamtlich und war zehn Jahre lang Gabbai der Synagoge Fraenkelufer. Er wollte das jüdische Leben in Deutschland wiederaufbauen. »Die Gemeinde ging ihm über alles«, sagt seine Frau Helga. Immerhin hatte er sich fast 70 Jahre lang für sie eingesetzt.
Als Berlin noch geteilt war, ist er immer wieder in den Ostteil gefahren, um auch die dortige Gemeinde zu unterstützen. Mit seinem israelischen Pass konnte er problemlos den Checkpoint Charlie passieren. Außerdem setzte er sich dafür ein, dass keine Straße durch den Friedhof Weißensee gebaut wurde.
In einem Interview sagte er einmal, dass die Tage immer schneller vergehen würden – so viel hätte er zu tun, und für so viele Dinge engagierte er sich.