Wie vom Blitz getroffen sieht das Bauwerk aus dem 19. Jahrhundert aus: Stararchitekt Daniel Libeskind hat das Militärhistorische Museum in Dresden mit einem transparenten Metallkeil durchbohrt. Ein Gewaltakt, der genau so gewollt ist, das wird im Inneren des Museums schnell klar. Denn hier erlebt der Besucher seit der Neueröffnung im vergangenen Oktober eine Ausstellung, die sich mit den Ursachen und Folgen kriegerischer Aggression auseinandersetzt.
Zunächst habe ihn die Architektur interessiert, sagt Yoav Turgeman, der am Sonntagnachmittag der Einladung der Jüdischen Gemeinde Dresden zu einer Museumsführung gefolgt ist. »Mir gefallen die Schockeffekte der Libeskind-Entwürfe«, erklärt der 37-Jährige.
Ausgewählt Gut anderthalb Stunden führt der junge Historiker Bertram Triebel die Besucher durchs Haus und kann dabei doch nur auf wenige ausgewählte Exponate und Themen eingehen. Schließlich ist das Militärhistorische Museum mit 20.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche das größte Museum in Deutschland.
»Ich finde die Ausstellung sehr gut gemacht«, sagte Yaov Turgeman im Anschluss an die Führung. Er hat in der israelischen Armee gedient und kennt die Risiken, denen Soldaten ausgesetzt sind, auch wenn er sagt: »Als ich beim Militär war, war die Situation verhältnismäßig ruhig.« Dass der Militärdienst in Deutschland jetzt freiwillig ist, findet er gut. Würde er es gerne sehen, dass seine eigenen Kinder zur Armee gehen? »Nein«, sagt er bestimmt.
»Wenn die Kinder es wollen, kann man sie nicht daran hindern. Aber ich würde ihnen meine Gegenargumente darlegen.« Das Heer sei eine Maschinerie, für die nicht jeder geschaffen sei, findet der 37-Jährige. »Den Körper kann man mit einem Panzer schützen, aber die Seele nicht.«
Verteidigung Domokos Szabó hat ebenfalls »gedient«. Widerwillig leistete er als 18-Jähriger zehn Monate Militärdienst in Ungarn ab. »Ich stand damals nicht hinter diesem Staat und habe es deshalb nicht eingesehen, zur Armee zu müssen«, erinnert er sich. Heute sieht er das Thema differenzierter. »Wenn meine Kinder zur Armee wollten, würde ich das nicht kategorisch ablehnen. Es gibt Situationen, in denen sich ein Staat verteidigen muss.«
Doch die Frage bleibt, ob es auch für Juden akzeptabel ist, rund 70 Jahre nach dem Holocaust und dem Zweiten Weltkrieg, Deutschland mit der Waffe zu verteidigen? Domokos Szabó sagt: »Deutschland ist heute ein ganz anderes Land.« Gegen die Bundeswehr hat er nichts. Wohl aber gegen den Krieg: »Gewalt deformiert die Seele.«
Nur die Kinder interessieren sich an diesem Nachmittag ganz unbefangen für U-Boot, Rakete und Raumkapsel oder für die Playmobil-Ritter und Sternenkrieger in der Abteilung »Spiel und Krieg«.
Stadtgeschichte Bei allen Themengebieten stellt das Militärhistorische Museum den Menschen in den Mittelpunkt, so auch im obersten Stockwerk, wo Daniel Libeskinds Keil den Blick auf Dresden zulässt. Die Spitze weist auf die Stelle, wo in der Nacht vom 13. Februar 1945 die ersten Bomben der alliierten Luftangriffe fielen. Das Museum stellt die Zerstörung Dresdens in eine Reihe mehrerer Städte, die durch Bomben verwüstet wurden. Es fehlt auch nicht der Hinweis, dass der Bombenangriff auf die Elbestadt die geplante Deportation der letzten jüdischen Bürger Dresdens verhinderte.
Valentina Marcenaro, die Kulturmanagerin der Gemeinde, hatte die Führung im Museum der Bundeswehr organisiert. Unterstützt wurde die Veranstaltung vom Zentralrat der Juden in Deutschland. Immer wieder bietet Marcenaro Veranstaltungen für die jüngere Generation an, zum Beispiel Partys, Grillfeste oder eben Mu- seumsbesuche. Das Ziel ist, die 18- bis Mitte 30-Jährigen enger an die Gemeinde zu binden. Diesmal fehlen allerdings die Leipziger, die Mercarano ebenfalls eingeladen hatte.
Sie weiß aus Erfahrung, wie schwer es ist, die Jungen für Aktivitäten zu gewinnen: »In diesem Alter ist man mit so Vielem beschäftigt, nicht nur mit dem Jüdischsein«, sagt sie achselzuckend. Sie wird weitermachen, auch wenn die Resonanz auf ihre Angebote oft verhalten ist. Noch kurz vor dem Start der Museumsführung versendet sie Textnachrichten und telefoniert mit ein paar Leuten, die eigentlich zugesagt – oder zumindest nicht abgesagt – hatten. »Viele junge Leute legen sich nicht gern fest«, auch das habe sie inzwischen gelernt.