Man darf Joel Berger einen ausgezeichneten Mann nennen. Die Lebensleistung des ehemaligen Landesrabbiners der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) ist bereits mit dem Bundesverdienstkreuz und der Verdienstmedaille des Landes gewürdigt worden, die Universität Tübingen hat ihm die Ehrendoktorwürde verliehen.
In der vergangenen Woche überreichte ihm der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn die höchste Auszeichnung der Landeshauptstadt von Baden-Württemberg: die Bürgermedaille. Gewissermaßen als nachträgliches Geschenk zum 80. Geburtstag, den Berger am 7. September feierte.
»Sie haben als Landesrabbiner von 1981 bis 2002 und auch darüber hinaus in unserer Stadt viele Spuren hinterlassen«, pries Kuhn im Rathaus vor vielen namhaften Gästen aus Gemeinde, Kirchen, Politik, Wirtschaft und der Gesellschaft der Stadt den Einsatz Joel Bergers – sein Engagement zum Beispiel beim Besuchsprogramm für ehemalige jüdische Stuttgarter Bürger, das Emigranten aus aller Welt in die einstige Heimat zurückholte und durch neue Erfahrungen mit dieser Stadt und ihren Menschen versöhnen konnte.
Dialog Ein besonderes Anliegen sei Berger immer der interreligiöse Dialog gewesen. Dass die Begegnung in Stuttgart zwischen Juden, Christen und Muslimen beispielhaft funktioniere, sei auch Bergers Verdienst: »Als Mann der klaren Worte, aber stets von großer Liebenswürdigkeit und mit einer besonderen Art von Humor und feiner Ironie.«
Die Jüdischen Kulturwochen, die Berger zusammen mit seiner Frau Noemi kuratiert, hätten daran großen Anteil, »weil sie Interesse und Verständnis für das Judentum wecken und schaffen«. Vor allem aber habe er sich »mit Klugheit, Einfühlungsvermögen und Fortune« für die Integration der Zuwanderer aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion eingesetzt, die heute als gelungen bezeichnet werden könne und die Gemeinde auf 3000 Mitglieder anwachsen ließ.
Stuttgart, in dessen Goldenes Buch sich Joel Berger nun eintragen durfte, habe im Leben des Geehrten schon früh eine Rolle gespielt, erinnerte Kuhn. Denn in Budapest, wo Berger 1937 geboren wurde, leitete die Mutter das Büro des deutschen Direktors der Mercedes-Benz-Niederlassung.
Familie Die Familie überlebte den Holocaust dank des schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg im internationalen Ghetto. Stuttgart war auch die erste deutsche Stadt, die der damals 31-jährige Rabbiner und Pädagoge nach seiner Emigration aus Ungarn aufsuchte und in die er endgültig nach beruflichen Stationen als Rabbiner in Düsseldorf, Göteborg und Bremen zurückkehrte. So schließe sich mit dieser Auszeichnung ein Kreis: »Im Buch der Stadt sind Sie schon längst eingeschrieben«, bescheinigte Kuhn.
»Es waren keine leichten Jahre, aber ich habe sie genossen, und Stuttgart ist heute mein Zuhause«, versicherte Berger, der von seiner Tochter Margalit und Enkelin Ethel begleitet wurde und sich gerührt zeigte. »Es ist eine große Ehre, ich werde sie tragen.« Mit seiner unnachahmlichen Gabe zur Courtoisie gab er die Ehre weiter »an alle, die mich auf diesem Weg begleitet haben«. In einer Feierstunde, der Berger eine ganz persönliche und heitere Note verlieh. Mit seiner musikalischen Auswahl an Operettenmelodien der Komponisten Paul Abraham, Jacques Offenbach und Emmerich Kalman.