Das Dach wird begrünt, die Energietechnik auf den neusten Stand gebracht, die Innenräume werden gründlich renoviert. Doch schon am vorletzten Sonntag des alten Jahres 5770 weihte die Jüdische Gemeinde Pinneberg ihre Synagoge ein. Jetzt endlich haben die 220 Mitglieder der seit acht Jahren bestehenden Gemeinde ein Begegnungszentrum. »Wir wollen das neue Jahr in unserer eigenen Synagoge begrüßen, und deshalb feiern wir heute Einweihung und die Torarollen-Einbringung«, sagt Wolfgang Seibert, Vorsitzender der liberalen Gemeinde, und strahlt.
Prozession Mit einem großen Umzug durch Pinnebergs Innenstadt wurde die Torarolle feierlich unter der Chuppa vom ersten Domizil der Pinneberger Gemeinde, dem Gemeindehaus der Christuskirche, zum neuen Gemeindezentrum im Carla-Bartram-Weg 14 getragen. Der Torarolle voran gingen mit Seibert, Schleswig-Holsteins Landesrabbiner Walter Rothschild und Kantor Dieter Podszus unter anderen der Bildungs- und Kultusminister des Bundeslandes, Ekkehard Klug, Pinnebergs Bürgervorsteherin Natalina Boenigk, Bürgermeisterin Kristin Alheit und Walter Blender, Vorsitzender des Jüdischen Landesverbandes Schleswig-Holstein.
In den Psalmengesang stimmten viele Pinneberger ein, die sich mit ihren jüdischen Nachbarn über deren dauerhaftes Zuhause freuten. Trotzdem wurde der Umzug polizeilich mehr geschützt als andere Veranstaltungen, ist doch die Jüdische Gemeinde Pinneberg immer wieder Ziel der dortigen rechtsradikalen Szene. »Wir wehren uns«, sagte Seibert selbstbewusst. »Die Steine, die uns in den Weg gelegt werden, nehmen wir auf und bauen unsere Synagogen daraus«, ergänzte Blender, der zur Einweihung der neuen Synagoge Grüße von Zentralratspräsidentin Charlotte Knobloch überbrachte.
Angekommen Feierlich brachte Rabbiner Rothschild die Torarolle in das neue Gemeindezentrum ein und stellte sie in den Toraschrank. Er befestigte auch die Mesusot an den Türpfosten. »Nach fast acht Jahren ist in Erfüllung gegangen, was wir uns erträumt haben«, sagte Seibert. Das Gebäude des neuen Zentrums gehört der Stiftung »Wir helfen uns selbst«. Es wurde 1969 vom Deutschen Roten Kreuz gebaut und von 1996 bis 2006 als Altentagesstätte genutzt. Die letzten vier Jahre stand das Gebäude leer. »Herr Seibert wollte dieses Haus unbedingt für seine Gemeinde haben, und sein Konzept hat uns überzeugt«, sagte Ingo Worm, Geschäftsführer der Stiftung.
Das Konzept bindet die Nachbarschaft ein. Rechts und links der Synagoge sind Seniorenwohnungen. Ein Begegnungscafé soll noch entstehen. »Eine Synagoge ist ein Haus für die Menschen«, betonte Rabbiner Rothschild. Das Gemeindezentrum umfasst Betsaal, Kidduschraum, Café, Jugendraum, Küche, Büro, Sanitärräume und einen großen Garten. Es werden Deutsch- und Hebräisch-, Religions- und Musikkurse für israelische Musik gegeben. Zu ihren Mitgliedern gehören auch Israelis sowie Offiziere der IDF, die in Hamburg studieren.
Die bisherige Renovierung des Hauses haben die Gemeindemitglieder in Eigenhilfe geleistet. Der Plan sieht eine Investition von 150.000 Euro vor. Für den Erstausbau unterstützt der Zentralrat der Juden die Gemeinde mit 30.000 Euro. Kultusminister Klug sagte für den Ausbau »leicht unter 100.000 Euro« vom Land zu. Jetzt bewirbt sich die Gemeinde bei der Umweltlotterie Bingo für die Finanzierung einer energiesparenden Haustechnik. Landesvorsitzender Blender erinnerte an die Anfänge: »Acht Juden haben sich vor acht Jahren heimlich in Pinneberg getroffen, um in einem Keller Schabbat zu feiern, jetzt ist es mit 220 Mitgliedern die größte jüdische Gemeinde Schleswig-Holsteins, hier ist ein Minjan immer möglich.«
zusammengelegt Eine fröhliche Einbringung ihrer ersten Torarolle feierte auch die orthodoxe Jüdische Gemeinde Kiel und Region. »Wir haben die Tora 2009 zu unserem zehnten Gemeindegeburtstag beim Institut Machon Ot in Jerusalem für 12.000 Euro gekauft, sie ist zehn Jahre alt«, erzählt Viktoria Ladyshenski, Geschäftsführerin der Gemeinde. 5.000 Euro erhielt die Gemeinde von der Bürgerstiftung Kiel, weitere Spenden kamen vom Nordelbischen Kirchenkreis, vom Freundeskreis der Gemeinde und von Gemeindemitgliedern. Bisher hatte die Jüdische Gemeinde in der Wikingerstraße eine geliehene Torarolle von der orthodoxen Gemeinde in Hamburg.
Torafreuden konnte auch das Jüdische Bildungszentrum Chabad Lubawitsch einen Monat vor dem Feiertag empfinden. Das Chabad-Zentrum in der Rentzelstraße erhielt eine erste Torarolle. Für sie war die Feier am 31. August das erste öffentliche Fest zur Einbringung einer Sefer Tora nach der Schoa in Hamburg. Ihre Anschaffung ermöglichten Patenschaften Hamburger Juden, die auch mit ihrem Rabbiner Shlomo Bistritzky die letzten Buchstaben auf dem Carlebach-Platz schrieben, dem Platz der in der Reichs-Pogromnacht zerstörten großen Bornplatz-Synagoge. In einer Prozession mit Tanz und Musik wurde die Tora ins Zentrum Rentzelstraße geleitet.