Frankfurt

Dinner mit den »Zweiflers«

Film ab, heißt es ab Sonntag in Frankfurt am Main.

Welches Medium wäre besser geeignet, jüdisches Leben in seiner Diversität so vielschichtig und erleuchtend darzustellen, als der Film? Das dachten sich wohl auch die Macherinnen und Macher der Jüdischen Filmtage, die vom 1. bis zum 15. September in Frankfurt am Main stattfinden. Es ist übrigens das fünfte Mal, dass die Jüdische Gemeinde Frankfurt mit dem Kulturdezernat der Stadt zusammenarbeitet, um außergewöhnliche jüdische Filme aus aller Welt auf die Leinwand zu bringen.

Aber die Kooperation geht noch weiter. Man konnte ferner wichtige Kulturinstitutionen wie das Jüdische Museum Frankfurt, das Filmforum Höchst, die Harmonie, das Ignatz Bubis-Gemeindezentrum sowie das Kino des DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum mit an Bord holen, um 26 Veranstaltungen auf die Beine zu stellen. Geboten wird ein breites Spektrum an cineastischen und anderen kulturellen Erlebnissen. Denn das Programm umfasst nicht nur Filmvorführungen, sondern auch Freiluftkinoabende, ein Theaterstück, eine Karaoke-Nacht sowie einen live vertonten Stummfilm und Veranstaltungen für die ganze Familie.

In diesem Jahr liegt der Fokus auf der Kultur Ostmitteleuropas.

Die Besucher erwartet eine abwechslungsreiche Mischung aus nationalen und internationalen Produktionen, die die Lebendigkeit jüdischer Kulturen und die unterschiedlichen Erfahrungen beleuchten. Gezeigt werden Filme aus Ländern wie Argentinien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Israel, Polen, Rumänien, Spanien, Tschechien, historische Filme aus der Sowjetunion, Ungarn und den USA.

Für jeden Geschmack und jede Altersgruppe ist etwas dabei, angefangen mit romantischen Komödien wie »Elik & Jimmy« über humorvolle, generationenübergreifende Familiengeschichten, darunter »Queen of the Deuce« und »Treasure«, bis hin zu gesellschaftskritischen Filmen – beispielsweise der Streifen »Running on Sand«, der die Geschichte eines israelisch-eritreischen Fußballspielers erzählt, oder »Children of Nobody«, in dem ein äußerst unkonventionelles Waisenhaus am Stadtrand von Tel Aviv im Mittelpunkt steht.

Der Dokumentarfilm thematisiert das Massaker, das die Hamas am 7. Oktober.

Die Filme erzählen darüber hinaus Geschichten, die die unmittelbare Gegenwart einfangen und nah an den Menschen sind – allen voran »Supernova«. Der Dokumentarfilm thematisiert das Massaker, das die Hamas am 7. Oktober beim Rave nahe des Gazastreifens verübte. Nur wenige Tage nach den schrecklichen Ereignissen gefilmt, fängt »Supernova« den Schock, die tiefe Trauer sowie das anhaltende Trauma und die Sprachlosigkeit der Überlebenden ein.

Die Dokumentation besteht aus einer beeindruckenden Collage von Aufnahmen und Nachrichten der Opfer, bewegten Bildern aus Überwachungskameras und Dashcams, wodurch ein eindringliches und bildgewaltiges Werk entstanden ist. Die Zuschauerinnen und Zuschauer werden aber nicht mit ihren Eindrücken alleingelassen. Im Anschluss an den Film wird eine Gesprächsrunde mit der Geschäftsführerin von OFEK e.V., der Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung, Marina Chernivsky, einer Überlebenden des Festivals sowie Sabena Donath, Leiterin der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden in Deutschland, angeboten.

Eine weitere facettenreiche Darstellung der jüdischen Gegenwart bietet der Film »Treasure – Familie ist ein fremdes Land«. Darin spielt Lena Dunham, bekannt aus der Serie Girls, die Rolle der Ruth. Die von ihr verkörperte Figur reist mit ihrem Vater, einem Holocaust-Überlebenden, zu den Schauplätzen seiner Kindheit, um die komplexe Vergangenheit ihrer Familie besser zu ergründen. Der Vater Edek, dargestellt von dem Schriftsteller und Schauspieler Stephen Fry, kämpft mit seinen traumatischen Erinnerungen und verhält sich zunehmend unberechenbar wie auch exzentrisch, was die Reise kompliziert macht und Ruth dazu bringt, die Werte, mit denen sie aufgewachsen ist, zu hinterfragen.

»Und morgen die ganze Welt« ist Teil einer Trilogie von Julia von Heinz.

Regisseurin Julia von Heinz beschäftigt sich darin mit einem Thema, das ansonsten eigentlich kein Aspekt ihrer bisherigen Arbeiten war. Ihr Markenzeichen waren eher autobiografische Filme wie Und morgen die ganze Welt, in dem sich eine junge Studentin der Antifa anschließt, sowie eine Dokumentation über Frauen mit Adelstiteln, die passenderweise Standesgemäß heißt, weil sie ihre Partner nur unter ihresgleichen suchen, um in der Welt des Adels nicht ihren Status zu verlieren.

Zu der Vorführung im Arthousekino Harmonie wird Julia von Heinz persönlich anwesend sein und sich mit Kurt Grünberg vom Sigmund-Freud-Institut sowie Laura Cazés von der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) über transgenerationale Traumata austauschen.

Ein weiteres Highlight und eine vielschichtige Darstellung jüdischer Gegenwart, und zwar mit einem besonderen Bezug zu Frankfurt, bietet das abschließende Dinner mit den Schauspielern der dieses Jahr in Cannes preisgekrönten Serie Die Zweiflers. Erzählt wird darin die Geschichte einer jüdischen Familie in der Mainmetropole über drei Generationen hinweg. Alles dreht sich dabei um das Delikatessenimperium des Großvaters. Bemerkenswert ist, dass die Serie es ohne die üblichen Klischees schafft, ein authentisches Bild jüdischen Lebens zu zeichnen.

Nach dem Ende der Dreharbeiten kehren die Schauspieler der Serie nun erstmals nach Frankfurt zurück und laden zu einem besonderen Abend im Gemeindezentrum ein: »Shmooze’n’Booze« lautet das Motto. Hier können die Gäste bei einem Dinner mit Köstlichkeiten der jüdischen Küche die Protagonisten hautnah erleben.

Live-Musik und historischer Film – die Besucher tauchen in eine vergangene Zeit ein.

Durch den Abend führt der gefeierte Frankfurter Gastronom James Ardinast. In diesem Jahr liegt der Fokus des Festivals auf der jüdischen Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas. Ein besonderes cineastisches Schmankerl ist der jiddische Stummfilm-Klassiker Jüdisches Glück von 1925, gedreht in den Städten Berdy­tschiw, Odessa und Letytschiw. Dieser Film wird im DFF-Deutsches Filminstitut & Filmmuseum – live musikalisch begleitet. Günter Buchwald spielt Klavier und Violine, während Helmut Eisel die Klarinette übernimmt.

Diese einzigartige Kombination aus historischem Film und live gespielter Musik verspricht ein tiefes Eintauchen in eine vergangene Zeit und eine verlorene Welt. Das Ergebnis ist ein außergewöhnliches Kinoerlebnis, das jüdische Geschichte und Kultur aus der Region buchstäblich zum Erklingen und Leuchten bringt.

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