War früher alles besser? Gewiss nicht, aber im Bereich der Lehrmittel für jüdische Erziehung und Bildung war man vor 1933 schon einmal viel weiter als heute. Die Folgen der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik reichten weit über die NS-Zeit hinaus. Nach 1945 waren viele Bücher verbrannt, jüdische Lehrer und Schüler ermordet. Neues Lehrmaterial gab es so gut wie gar nicht.
Jüdische Religionslehre orientiert sich an der Tora. Natürlich ist das der Ausgangspunkt für alles. In der noch jungen Bundesrepublik musste jeder Lehrer mit eigenen improvisierten Notizen versuchen, die Geschichten der Bibel, die Zeit der Könige und Propheten, das Schicksal des jüdischen Volkes von der nachbiblischen Zeit und der Antike übers Mittelalter bis hin zur Gegenwart darzustellen.
wettbewerb Wenn man bedenkt, dass KinderWelten, das erste jüdische Lesebuch der Nachkriegszeit, 1996 auf Basis eines Schreibwettbewerbs der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland erschien, dann war die Veröffentlichung von Michaela Rychlás Emunat Jissra’el überfällig. 2013 erschien eine erste Fassung des Buches.
Nun hat sich der Berliner Verlag Hentrich & Hentrich der Aufgabe angenommen, eine überarbeitete und erweiterte Neuausgabe zu veröffentlichen. Zur Vorstellung des ersten von drei Bänden kam die Verlegerin Nora Pester nach München. Ihr ist es »ein besonderes Anliegen, auch jüdisches Leben und Denken in der Gegenwart zu repräsentieren und einen substanziellen Beitrag zu jüdischer Bildung zu leisten«, sagte sie und fügte hinzu: »Wissen, Werte und Debatten sind dem Judentum immanent.« Sie sollten indes eine größere Sichtbarkeit erfahren. Darin ist sie sich mit Charlotte Knobloch einig. Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde unterstützt die Religionslehrerin Michaela Rychlá seit zwölf Jahren bei ihrem Buchprojekt.
Rychlá, 1957 in der Tschechoslowakei geboren, unterrichtete jüdische Religionslehre in Frankfurt am Main, Halle und seit 2004 in München. Sogar die alte Tradition der Wanderlehrer pflegt sie mit ihren regelmäßigen Unterrichtsfahrten bis nach Regensburg. Auf ihren Unterlagen aus inzwischen über 20-jähriger Berufserfahrung baute Rychlá ihr Lehrbuch für Schule und Familie auf. »Judentum«, so die Autorin, »ist ohne Lernen nicht denkbar«, und so machte sie sich ans Werk, traditionelles jüdisches Wissen aus anerkannten rabbinischen Quellen darzustellen.
weisheit Durch Rychlás Begeisterung für die Weisheit der Gesetzgebung, die Schönheit der Gebete und die Faszination für jüdische Geschichte spricht das Lehrbuch für Schule und Familie ganz unterschiedliche Leser an. IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch bringt es auf den Punkt: »Selten bin ich in meinem Leben einem Menschen begegnet, der sich mit so viel Herzblut der jüdischen Lebensweise und -weisheit verschrieben hat.«
Rychlá leiste viel mehr, als bloß Wissen zu vermitteln. Ihr Anliegen und Verdienst sei es, mehr von- und übereinander zu wissen. »Das«, betont die Präsidentin der zweitgrößten jüdischen Gemeinde in Deutschland, »bildet die Basis für das menschliche Zusammenleben in einer Gesellschaft.«
Michaela Rychlá: »Der Glaube Israels. Emunat Jissra’el«. Hentrich & Hentrich, Berlin 2016, 152 S., 24,90 €