Frankfurt/Main

Die Mutter des Rabbiners

Kaddisch am Grab aus rotem Sandstein Foto: Rafael Herlich

Würde Alice Schwarzer einen Vortrag zum Thema »jüdische Pilgerstätten« hören, bekäme sie wohl noch mehr graue Haare. Denn wenn Juden reisen, um an Gräbern zu beten, beehren sie meist Rabbiner oder andere Gelehrte, kurzum: Männer. Frauen spielen, von Rachels Grab in Bethlehem einmal abgesehen, in der jüdischen Grabkultur eine untergeordnete Rolle. Eine rühmliche Ausnahme ist Frankfurt am Main. In der vergangenen Woche reisten rund 50 ultraorthodoxe Juden aus Israel, den USA, England und Belgien an, um eine Frau zu ehren: Marat Raisle Sofer.

Die Mutter des wegen seiner Tora-Gelehrsamkeit gerühmten Rabbiners Chatam Sofer hatte einst ihre Nachkommen und auch alle anderen Menschen aufgefordert, nach ihrem Tod an ihr Grab zu kommen und von ihren Sorgen und Nöten zu berichten. Dann, so Sofers Versprechen, werde sie an Gottes Thron für sie bitten.

Psalme Als sie im Jahre 1822 starb, wurde Marat Raisle Sofer auf dem Alten Jüdischen Friedhof an der Battonnstraße beerdigt. 1180 erstmals urkundlich erwähnt, ist dieses Grabfeld nach Worms der zweitälteste jüdische Friedhof in Deutschland. Seit 1828 wird er nicht mehr genutzt. Wo genau der Grabplatz von Sofer liegt, ist daher auch nicht bekannt. Deshalb pilgerten fromme Frauen und Mädchen zur Fürbitte jahrelang zu einem verbeulten Metallschild und später zu einer kleinen Marmortafel. Erst seit vergangener Woche nun gibt es einen richtigen Grabstein, dessen Neulegung von Sofers Anhängern mit Psalmen und Gebeten gewürdigt wurde.

Finanziert wurde der Grabstein aus traditionellem roten Sandstein von dem New Yorker Geschäftsmann Wolf Seev Pinchas Nussenzweig, der zur Feier anreiste und seit Jahren die Publikation der Schriften von Rabbiner Sofer unterstützt. Geplant und umgesetzt wurde die Grabsteingestaltung mit Unterstützung des Frankfurter Gemeinderabbiners Menachem Halevi Klein, mehrerer Nachkommen des Rabbiners Sofer (unter anderem Rabbiner Moische Sofer aus Jerusalem) und des Vizedirektors des Jüdischen Museums Frankfurt, Michael Lenarz.

Außerdem halfen die Rabbiner Calman Lieberman, Jacob Gottman und Chaim Ferenz, Mitglieder der in Brooklyn beheimateten Heritage Foundation for Preservation of Jewish Cemetaries (HFPJC). Deren Aufgabe besteht darin, für die Erhaltung von bisher 545 durch die Schoa und den Kommunismus zerstörten Friedhöfen zu sorgen.

Zu den bekanntesten Persönlichkeiten, die auf dem Alten Jüdischen Friedhof in Frankfurt beerdigt sind, gehört Meyer Amschel Rothschild, der legendäre Bankier und Gründer des Hauses Rothschild. Sein Grab wird regelmäßig von Touristen besucht. In der Regel ist der Friedhof aber für Publikum geschlossen. Wer sich umschauen möchte, erhält in der benachbarten Depe ndance des Jüdischen Museums den Schlüssel.

Frankfurt/Main

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