Darmstadt

Die Gemeinde 2030

Schabbat ade: Hawdala in Darmstadt Foto: Michael Lishchuk

Wie sieht jüdisches Leben in Zukunft aus?» Um diese Frage zu diskutieren – aber auch um zu lernen, zu beten und zu feiern –, kamen am vergangenen Wochenende etwa 65 Studenten und junge Berufstätige nach Darmstadt. Die Jüdische Gemeinde hatte den Schabbaton zusammen mit dem kürzlich gegründeten Verband jüdischer Studierender und ZWST/AchtzehnPlus in Hessen organisiert.

Die Veranstaltung begann am Freitagabend mit dem Kabbalat Schabbat in der Darmstädter Synagoge, die vor genau 30 Jahren, am 9. November 1988, eingeweiht wurde. Auf Kiddusch und Abendessen folgte die Fragerunde «Ask the Rabbi» mit dem Gemeinderabbiner Jehoschua Ahrens.

Während die einen sich am Samstagmorgen zum Gebet trafen, bestand für religiös weniger versierte Teilnehmer die Möglichkeit, einen Vertreter der Gruppe «Jewish Experience» über die Gebete zu befragen. Anschließend stand ein Stadtrundgang durch das jüdische Darmstadt auf dem Programm.

Um die eingangs erwähnte Leitfrage drehte sich der Samstagnachmittag. Zunächst hatte Michael Rubinstein, Geschäftsführer des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden Nordrhein, das Wort. In einer Mischung aus Impulsvortrag und Publikumsdiskussion ging er auf die Perspektiven der Gemeinden ein.

Altersstruktur Dabei waren ihm drei Themen wichtig, die aus seiner Sicht für die Zukunft der jüdischen Gemeinden in Deutschland von Bedeutung sind. Zum einen nannte er die Altersstruktur: Die Mehrheit der Gemeindemitglieder ist älter als 50. Zum anderen sprach er vom Schwinden der Gemeinden: die großen würden größer, während kleinere Gemeinden schrumpfen würden, prognostizierte Rubinstein.

Weniger Menschen bedeuteten jedoch weniger Geld für das Gemeindeleben. Er warf zudem die Frage auf, wer aus der jungen Generation zukünftig Verantwortung in den Gemeinden übernehmen möchte. «Wir müssen die besten Leute auf den besten Stellen haben», mahnte Rubinstein. Es gehe um qualifiziertes jüdisches Personal.

Rubinsteins Ausführungen wurden von einer lebhaften Diskussion mit den Teilnehmern begleitet. Dabei ging es um die Chancen und Möglichkeiten junger Erwachsener in den Gemeinden, aber auch um die Integration jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen UdSSR. Ein Teilnehmer beklagte die Dominanz der russischen Sprache in einzelnen Gemeinden. «Die Integrationsleistung der jüdischen Gemeinden in Deutschland ist sensationell», betonte Michael Rubinstein indes. Er rief die Teilnehmer zum Engagement auf: «Seid aktiv!»

Rap Um Antisemitismus in der Musikbranche ging es bei der anschließenden Podiumsdiskussion im Gemeindesaal. Der Berliner Rapper Ben Salomo beklagte anhand diverser Beispiele «Ausdrucksformen von Israelhass, Judenhass und Antisemitismus» innerhalb der deutschen Rap-Szene. Viele Songtexte seien von Stereotypen und versteckten Botschaften durchsetzt.

Er habe kaum öffentliche Solidarität erfahren. «Wir müssen frech, laut und mutig werden», forderte Ben Salomo. Auch die zunehmend aggressiven BDS-Aktivitäten waren Thema auf dem Podium. «Sie üben Druck aus», berichtete Yuriy Gurzhy, Musiker und DJ. Yuriy Gurzhy wies auf den Musiker Nick Cave hin, der trotz BDS-Druck in Israel auftrat.

«Ich wünsche mir mehr von solchen Leuten», sagte Gurzhy. An englischen und amerikanischen Universitäten sei BDS ein Riesenthema, ergänzte Aaron Serota, Gründungsmitglied des Verbands jüdischer Studierender in Hessen und Vizepräsident der Jüdischen Studierendenunion Deutschland.

Nach dem Abendessen, einem Gebet zum Schabbat-Ausgang und einer stimmungsvollen gemeinschaftlichen Hawdala hieß es: «Schawua tow!» Rabbiner Je­hoschua Ahrens zog eine positive Bilanz des Schabbatons. «Es war eine tolle Stimmung.»

Die Teilnehmer seien wirklich interessiert gewesen, auch im religiösen Bereich. Die Veranstaltung endete mit einer Party in der Darmstädter Galerie Kurzweil, die im Rahmen der Jüdischen Kulturtage stattfand. Etwa 200 Gäste aus ganz Deutschland tanzten zu Klezmer, Klarinettenklängen und Beats von Yuriy Gurzhy, Uros Petkovic und Max Bakshish.

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