Dachau

Die Erinnerung ist nicht kündbar

Null Toleranz gegenüber Neonazis: Charlotte Knobloch spricht in Dachau. Foto: Miryam Gümbel

»Getrennt in der Vergangenheit, nebeneinander in der Gegenwart, miteinander in die Zukunft?« Mit dieser Frage setzte sich der Präsident des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern und Vizepräsident des Zentralrats, Josef Schuster, am Jahrestag der Befreiung im ehemaligen KZ Dachau auseinander.

Bereits vor 1933 sei »der Samen ausgebracht, der diese Todesfabrik KZ als Frucht hervorbrachte«. Schuster betonte mit Blick auf die Gegenwart: »Unrecht war in der Vergangenheit nicht Recht, und das Gleiche gilt für uns, für die Gegenwart. Auch heute gibt es an vielen Orten unseres Planeten Vorgänge, die eines Hin- und nicht eines Wegschaues bedürfen.«

Schundliteratur Als eines von vielen Beispielen nannte Schuster die Verbreitung von Naziliteratur. »Das ist nichts Neues, aber ist es zu akzeptieren, dass diese Schundliteratur über die Online-Shops von Spiegel, FAZ oder Süddeutsche zu beziehen sind? Bleibt hier der Ruf der Qualitätspresse nicht auf der Strecke?« Er bezog sich dabei auf eine Sendung von »Report Mainz« (8. November 2010 – www.swr.de/report).

Schuster verwies aber auch auf positive Entwicklungen wie die Rede von Bundespräsident Christian Wulff in Auschwitz: »Worte, die verdeutlichten, dass es nunmehr an der Zeit ist, der Generation, die diesen Horror nicht mehr miterleben musste, zu verdeutlichen, wie wichtig ein Gedenken ist, um die Zukunft zu gestalten.«

Dass die junge Generation dazu bereit ist, unterstrichen zum Beispiel Jugendliche aus dem Jugendzentrum Neshama der IKG München, die gemeinsam zur Gedenkstunde gekommen waren. Für die jüdische Jugend in Bayern bat Motwej Platskovsky aus Regensburg die Zeitzeugen, der Enkelgeneration möglichst viel an Wissen über die Vergangenheit mitzugeben, damit die Erinnerung weitergetragen werden kann.

nie wieder Diese Notwendigkeit unterstrich auch IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch: »Die zeitliche Distanz wächst.« Die Erinnerungen der Zeitzeugen seien inzwischen auch tief verankert im kollektiven Bewusstsein der nachfolgenden Generationen. Deshalb sind heute »alle, die um diese Zeugnisse wissen, Botschafter. Die Vergangenheit hat uns ein sehr präzises Vermächtnis hinterlassen. Es lautet: Nie wieder!« Dieses »Nie wieder« bedeute null Toleranz gegenüber Neonazis, gegenüber antisemitischer Hetze. »Antiisraelische, antisemitische, rassistische oder fremdenfeindliche Gesinnungen und Propaganda jeglicher Art dürfen in unserer Gesellschaft keinen Nanometer Spielraum haben – erst recht natürlich nicht auf der Plattform demokratischer, staatlich subventionierter Parteien.«

Knobloch unterstrich: »Unsere freiheitliche Demokratie lebt von Zivilcourage. Verfolgung, Gewalt und Mord haben Vorstufen. Wegschauen ist eine davon. Sich abwenden, wenn Menschen in Bedrängnis geraten, geflissentlich weghören, wenn Vorurteile verbreitet werden, und abwiegeln, wenn rechte Gewalttaten angeprangert werden – das alles sind Anfänge, denen es zu wehren gilt.«

Mit dem El Mole Rachamim, vorgetragen von Nikola David, und der Kranzniederlegung in der Gedenkstätte wurde die von Knobloch betonte »Unkündbarkeit der Erinnerung« zum Abschluss eindrucksvoll unterstrichen.

Frankfurt/Main

»Mein Herz blutet«

In Israel herrsche »Balagan«, Chaos, sagt Chaim Sharvit. Er steht hier denen zur Seite, die zum ersten Jahrestag des 7. Oktober dunkle Gedanken haben. Ein Besuch in Deutschlands größtem jüdischen Altenheim in Frankfurt

von Leticia Witte  14.10.2024

Berlin

Wo werde ich hingehen?

Vivian Kanner ist Sängerin und Schauspielerin – und denkt darüber nach, Deutschland zu verlassen

von Matthias Messmer  13.10.2024

Gedenkveranstaltung

Steinmeier: Wer überlebt hat, trägt schwer an der Last

Fünf Jahre nach dem rechtsextremen Anschlag besucht Bundespräsident Steinmeier die Tatorte.

 09.10.2024

Frankfurt

Graumann und Grünbaum zur Doppelspitze in der Frankfurter Gemeinde gewählt

Den Vorstand vervollständigen Rachel Heuberger, Daniel Korn und Boris Milgram

von Christine Schmitt  09.10.2024

Berlin

»Ein bewegender Moment«

Am Donnerstag fand in Berlin die feierliche Ordination von zwei Rabbinerinnen sowie sechs Kantorinnen und Kantoren statt. Doch auch der monatelange Streit um die liberale Rabbinatsausbildung in Deutschland lag in der Luft

von Ralf Balke  09.09.2024 Aktualisiert

Neue Potsdamer Synagoge

Am Freitag wird der erste Gottesdienst gefeiert

Nach der feierlichen Eröffnung im Juli soll nun das religiöse Leben in der Synagoge in Potsdam langsam in Gang kommen. Am Wochenende sind erste Gottesdienste geplant

 06.09.2024

IKG

»Ein großer Zusammenhalt«

Yeshaya Brysgal zieht nach einem Jahr als Jugendleiter eine positive Bilanz und plant für die Zukunft

von Leo Grudenberg  04.09.2024

Keren Hayesod

»Das wärmt mir das Herz«

Der Gesandte Rafi Heumann über seinen Abschied von Berlin, deutsche Spielplätze und treue Spender

von Christine Schmitt  04.09.2024

Porträt der Woche

Sinn ernten

Caro Laila Nissen half nach dem 7. Oktober Bauern in Kibbuzim nahe Gaza

von Lorenz Hartwig  01.09.2024