Die Literaturhandlung präsentierte David Grossman 2009 mit dem Roman Eine Frau flieht vor einer Nachricht und 2012 mit dem Poem Aus der Zeit fallen im Literaturhaus. Während der Entstehung des einen Werkes fiel Grossmans Sohn Uri, am letzten Tag des Libanonkriegs 2006.
Es war genau so eine Nachricht, vor der seine Romanheldin zu fliehen versuchte. Das andere Buch ist eine Totenklage, ein Nachruf des Vaters auf seinen Sohn. Nun kam Grossman mit seinem 2014 vollendeten Roman Sus echad nichnas lebar, zu Deutsch jüngst unter dem Titel Kommt ein Pferd in die Bar erschienen, wieder nach München. Jo Lendle, Verleger des Carl-Hanser-Verlags, ließ es sich nicht nehmen, den Autor persönlich zu begrüßen.
Israel David Grossman bekannte am Ende des Abends, dass er in seinem Leben noch keinen Tag Frieden erlebt habe – und vermutlich genau deshalb so hungrig danach sei. »In Israel leben wir nicht das Leben, das wir haben sollten und haben könnten«, erklärte der Schriftsteller und fuhr fort, es sei eine albtraumhafte Realität, aus der die Leute versuchten, sich zurückzuziehen. Beim Schreiben habe er seinen Roman, der im Titel auf einen bekannten israelischen Witz verweist, nicht als politische Parabel verstanden, doch die umgebende Situation beeinflusse natürlich sein Schreiben.
Grossman lässt in seinem Buch einen Stand-up-Comedian namens Dovele seine Abschiedsvorstellung geben. Dessen Witze sind »schlecht, weil sie nicht witzig sind, […] weil sie gemein sind«. Der ganze Abend in einem kleinen Saal in Netanya entwickelt sich zu einem Albtraum für das Publikum, das nach und nach verschwindet, vor allem aber für den »Komödianten, den Clown, den Possenreißer« selbst.
Einen Witz zu erzählen, sei eine Kunst, erläuterte Grossman seiner Gesprächspartnerin Julika Griem, die ihn kenntnisreich und klug im Literaturhaus befragte. Lachen klinge ganz anders als Gesprochenes, die Entdeckung des Witzes sei so wichtig wie die Erfindung des Rads oder des Feuers, so Grossman. Und dann gab er den Witz zum Besten, der titelgebend für sein Buch ist. Er selbst sei jedoch kein chronischer Witzeerzähler. Das seien ohnehin zwei Paar Schuhe: »Die einem haben Humor, andere erzählen Witze.«
radikal Am Rande der restlos ausverkauften Veranstaltung diskutierten einige israelische Besucher darüber, ob David Grossmans Werk überhaupt übersetzbar sei. Man könne den Eindruck gewinnen, dass der Autor von Buch zu Buch stilistisch radikaler und eigenwilliger werde. Hier ist es eine Art Monolog aus der Perspektive eines pensionierten Richters und einstigen Kindheitsgefährten des Clowns, der die bizarre Vorstellung, die Selbstzerfleischung des Mannes auf der Bühne, wiedergibt.
Wenn es jemand geschafft hat, dann die Übersetzerin Anne Birkenhauer, die Grossman ausdrücklich dankend erwähnte. Am Ende gehe es, so der Autor, um die Einzigartigkeit und Anerkennung der Persönlichkeit jedes Menschen, »mit sich selbst wieder in Einklang zu kommen«, das sei auch das Anliegen seiner Romanfigur Dovele. Es sei wichtig, andere mit wohlwollendem Blick zu betrachten. Die größte Grausamkeit aber sei die Gleichgültigkeit.