Der Vorsitzende der Landesgemeinde Thüringen in Erfurt, Wolfgang Nossen, hat seinen Rücktritt angekündigt. Wann er aus dem Amt scheiden wird und wer Chancen hat, sein Nachfolger zu werden, verrät Nossen allerdings noch nicht. Er habe seine Vorstandskollegen mit der Nachricht, die er beim Chanukkaball im Erfurter Kaisersaal am 27. Dezember ankündigte, sehr überrascht.
Zu seinen Beweggründen sagt Nossen: »Man wird nicht jünger.« Am 9. Februar feiert er seinen 81. Geburtstag. Seine angeschlagene Gesundheit – dreimal in der Woche muss er sich einer Dialyse unterziehen – und die Bitte seiner Frau Elisabeth haben in ihm wohl die Entscheidung zur Amtsaufgabe in diesem Jahr reifen lassen.
Verdienste Er geht mit Sicherheit nicht mit leichtem Herzen, »auch wenn mir mein Amt nicht nur Freunde eingebracht hat«. Weiß man doch in Thüringen und jenseits seiner Grenzen, dass er mit Leib und Seele Vorsitzender war. Aber er wolle auch nicht am Schreibtisch sterben, sagt Nossen, der für sein Engagement Ende November mit dem Verdienstorden des Landes Thüringen ausgezeichnet wurde.
»Ich habe nicht gearbeitet, um dafür irgendwelche Auszeichnungen zu bekommen«, wehrt der Gemeindevorsitzende ab. Doch gleichzeitig merkt man ihm an, dass er für das, was er geleistet hat, auch die adäquate Anerkennung erfahren möchte, denn ohne ihn gäbe es die Gemeinde in dieser Form möglicherweise nicht. Nach dem Tod von Raphael Scharf-Katz übernahm Nossen 1995 den Vorsitz der Erfurter Gemeinde und hatte ihn seitdem ununterbrochen inne.
Erfahrungen Zwei Staatsvertragsabschlüsse fallen in diese Zeit, vier Ministerpräsidenten, die Zuwanderung der russischsprachigen Juden und zahlreiche Probleme. Er hat viele politische Erfahrungen gesammelt. Verhandlungsgeschick wünscht er auch seinem Nachfolger. Auf seine Verbindungen und Vernetzungen werde man sicherlich auch nach seinem Rücktritt zurückgreifen müssen, aber auch können. Dafür stehe er nach wie vor zur Verfügung.
Viel hat er aufgebaut und hofft nun, nicht den Verfall miterleben zu müssen, was ihm zwei Ministerpräsidenten, die ihn im Amt erlebt haben, hinter vorgehaltener Hand bereits vorausgesagt haben. Heute hat die Landesgemeinde rund 840 Mitglieder, 600 von ihnen leben in Erfurt. Dependancen gibt es in Nordhausen und Jena. Rund zwölf Todesfälle habe man im Jahr, und junge Leute und Schüler gibt es nur wenige. Die jüngeren gehen weg zum Studium oder »dorthin, wo sie bessere Arbeitsmöglichkeiten vorfinden«. Das heißt, dass die Gemeinde langsam überaltert.
Erwartungen Zumindest müsse sich sein Nachfolger nicht mit Separationsbewegungen befassen. Die habe es mal gegeben, seien aber heute vom Tisch, sagt Nossen. »Das könnten wir auch gar nicht finanzieren«, fügt er hinzu. Das meiste Geld ginge – trotz höher dotiertem Staatsvertrag – ohnehin für Lohnzahlungen drauf. »Die rechnen einfach anders als wir«, konstatiert er. »Aber rechnen wird der neue Vorsitzende können«, wenn es denn sein Wunschkandidat wird. »Bestimmen kann ich das nicht, es ist ja ein Wahlamt.«