Zufall oder Absicht? Nur wenige Tage nach dem Gedenken an die Reichspogromnacht vom 9. November 1938 sind bislang unbekannte Täter auf den Jüdischen Friedhof im Kölner Stadtteil Bocklemünd eingebrochen und haben eine wertvolle Bronzeskulptur gestohlen. Die Synagogen-Gemeinde Köln zeigte sich »sehr bestürzt über diese frevelhafte Tat«, die sich zudem noch am Volkstrauertag ereignete, jenem stillen Tag, an dem der Toten der beiden Weltkriege sowie der Opfer von Gewaltherrschaft gedacht wird. 4.000 Euro hat die Synagogen-Gemeinde für die Aufklärung des Verbrechens ausgesetzt. Die öffentliche Empörung in Köln, der Stadt, die stets gern auf ihre Toleranz und Weltoffenheit sowie auf ihr Erbe als nachweislich älteste jüdische Gemeinde nördlich der Alpen verweist, ist indes verhalten.
Schweres Gerät Laut Polizeiangaben hatten die Täter am Wochenende 13./14. November am Hintereingang des Friedhofs zwei Tore aufgebrochen, um dann – das belegen Reifenspuren am Tatort – mit einem Last- oder Lieferwagen auf das Gelände zu gelangen und die rund 750 Kilogramm schwere, zwei Meter 80 hohe sowie einen Meter 20 breite Skulptur per Metallschneider von ihrem Sockel zu trennen.
Die Skulptur des Kölner Bildhauers Franz Lipensky erinnert an jüdische Ritualgegenstände, die am Tag nach dem Novemberpogrom von 1938 gerettet und vergraben worden waren. Nachdem sie 1978 bei Bauarbeiten zufällig entdeckt worden waren, wurden sie erneut auf dem Friedhof bestattet.
Wie die Staatsanwaltschaft mitteilt, sei das Mahnmal vermutlich gezielt von Kupferdieben gestohlen worden. Ein antisemitischer Hintergrund könne aber ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Sie ermittle in alle Richtungen, sagte die Staatsanwaltschaft. Über eine mögliche Zunahme von Straftaten mit antisemitischem Hintergrund in der Stadt Köln, in der es im Oktober bereits zwei derartig motivierte Vorfälle gegeben hatte, ist dem ermittelnden Staatsanwalt allerdings nichts bekannt.
ehrfurcht Dem schließt sich auch die Synagogen-Gemeinde an. Antisemitisch motivierte Taten gegen Gemeindemitglieder seien nicht bekannt, heißt es auf Nachfrage. Hannelore Bartscherer, Vorsitzende des Katholikenausschusses, fragt jedoch angesichts dieses »schändlichen Ereignisses«: »Können wir das so selbstverständlich hinnehmen?« Es sei aus ihrer Sicht, nicht nur mit Bezug auf jüdische Begräbnisstätten, ohnehin ein strafrechtlich relevanter Kulturverfall auf Friedhöfen zu beobachten, der die Frage aufwerfe: »Haben die Täter keinerlei Ehrfurcht vor den Lebenden und den Toten?« Eine Frage, die nicht nur im Trauermonat November dringend diskutiert werden müsste.