Basisarbeit könnte man das partnerschaftliche Projekt nennen, mit dem die Stadt München und die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern jungen Nachwuchskräften in der städtischen Verwaltung nicht nur jüdische Religion und Geschichte näherbringen wollen. Geschärft werden soll auch der Blick für Antisemitismus und seine unterschiedlichsten Erscheinungsformen in unserer Gesellschaft.
Für die Ausbildungsabteilung des städtischen Personal- und Organisationsreferats ist die Bekämpfung von Antisemitismus schon seit etlichen Jahren ein wichtiger Teil der Berufsausbildung. Für die praktische Umsetzung wurde deshalb das Programm »Vielfalt schlägt Einfalt« entwickelt und jetzt in den Bereichen »Interkulturelle Verständigung« und »Rechtsextremismus« weiter modifiziert.
führungen Als kleiner, aber wichtiger Baustein zur Festigung demokratischer Grundwerte bei jungen Menschen gibt es im Rahmen des Programms jetzt auch eigens organisierte Führungen durch die Münchner Ohel-Jakob-Synagoge. Fünfmal in einem Ausbildungsjahr können bis zu 50 Azubis daran teilnehmen.
IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch stimmte sofort zu, als das bilaterale Projekt mit der Stadt an sie herangetragen wurde. »Die Führung durch die Ohel-Jakob-Synagoge«, beschreibt sie den Wert der Vereinbarung, »ist ja weit mehr als nur die Besichtigung eines von vielen Gotteshäusern. Die Besucher tauchen ein Stück weit in die jüdische Welt ein.«
Charlotte Knobloch stimmte sofort zu, als das bilaterale Projekt an sie herangetragen wurde.
Dafür sorgt IKG-Vorstandsmitglied und Stadtrat Marian Offman, der die Führungen durch die Synagoge für die städtischen Nachwuchskräfte organisiert und auch leitet. Inhaltlich sollen dabei verschiedene Schwerpunkte gesetzt werden. »Judentum heute« lautet zum Beispiel ein Arbeitstitel für eine der fünf Besuchergruppen, und er macht deutlich, wie groß der Themenbogen gesteckt ist. Über mangelndes Interesse an jüdischen Themen kann Offman, der schon viele Führungen organisiert hat, sich nicht beklagen, gerade bei jungen Besuchern nicht. »Sie sind oft sehr gut informiert, auch über die NS-Vergangenheit«, lautet sein eindeutiges Fazit.
Antisemitismus und Rassismus sind nach Überzeugung von Alexander Dietrich nicht mit einer Tätigkeit bei der Stadt München vereinbar. »Mir ist es ein wichtiges Anliegen«, sagt der Personal- und Organisationsreferent, »dass unsere Nachwuchskräfte für dieses wichtige Thema sensibilisiert werden.«
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit klarer Haltung werden seiner Überzeugung nach bei der Stadtverwaltung gebraucht. »Dazu gehört aber auch«, erklärte Dietrich, »die Verantwortung aus der eigenen Geschichte übernehmen zu können.«
geschichte Mit der Geschichte, in der München als einstige »Hauptstadt der Bewegung« eine ganz spezielle Rolle spielt, werden die Auszubildenden bei den Synagogenbesuchen ohnehin direkt konfrontiert. Im »Gang der Erinnerung«, der die Synagoge und das Jüdische Gemeindezentrum verbindet, sind auf Glasplatten die Namen der Münchner Juden eingraviert, die von den Nazis ermordet wurden – fast 4500 sind es.
»Der Gang der Erinnerung«, stellt Marian Offman fest, »macht alle Besucher betroffen.« Auf das dunkelste Kapitel der Menschheitsgeschichte und der Geschichte der Juden in München beschränkt sich der Stadtrat und IKG-Vorstand bei seinen Führungen nicht. Er erzählt auch von eigenen Erfahrungen als Jude.
IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch, die den Holocaust nur dank glücklicher Umstände als Kind überlebte, gebraucht hin und wieder ein Zitat, das beinhaltet, dass nur derjenige die Zukunft gestalten kann, der die Vergangenheit kennt. »Gerade junge Menschen wie die Azubis der Stadt, die irgendwann in verantwortliche Positionen aufsteigen können, sollten sich dessen bewusst sein«, betont sie mit Blick auf die Besucher aus der Stadtverwaltung. Und sie erinnert bei dieser Gelegenheit daran, dass eine fundamentale Änderung der Erinnerungskultur bevorsteht: die der Zeit ohne Zeitzeugen.
Eingebunden in das Programm »Vielfalt schlägt Einfalt« sind neben den Aktivitäten der IKG auch zwei Seminare des NS-Dokumentationszentrums.
aktivitäten Eingebunden in das Programm »Vielfalt schlägt Einfalt« sind neben den Aktivitäten der IKG auch zwei Seminare des NS-Dokumentationszentrums, an die jeweils eine Führung durch das Haus angehängt wird. Ein Seminar ist für die Studierenden bei der Stadt angelegt und trägt den Titel »Verwaltung und Verantwortung – die Münchner Stadtverwaltung im Nationalsozialismus«, das andere für Azubis heißt: »Nie wieder, schon wieder, immer noch«.
Bei der Stadt ist die Zusammenarbeit mit der Israelitischen Kultusgemeinde offenbar gut angekommen. Personal- und Organisationsreferent Alexander Müller, unter dessen Fittichen das Projekt angesiedelt ist, spricht in einer Erklärung von »hervorragender Kooperation« und »fachkundiger Unterstützung«.