Hinter den großen Glasscheiben zur Grindelallee herrscht noch hektische Betriebsamkeit. Handwerker klettern auf Leitern bis hinauf an die Decke, der Kühltresen steht quer im Raum. Man braucht schon etwas Fantasie, um sich vorzustellen, dass in drei Wochen hier Hamburger ihren Einkauf tätigen und bei koscherem Gebäck und Kaffee ihren »Klönschnack« halten werden.
Nur die lebensgroße Puppe mit der Kippa an der Schreibmaschine im Schaufenster könnte Eingeweihte darauf hinweisen, denn sie saß schon im »Mezada«, dem Weinhandel von Ulrich Lohse. Der ist jetzt mitsamt seiner Sammlung von koscheren Weinen eine Ecke weitergezogen, um gemeinsam mit Guido Schilowsky das »Deli King« zu gründen.
Kundenstamm Am 15. Oktober soll der Laden öffnen, schon jetzt gab es ein sogenanntes Soft Opening, damit sich auch im Baustellenbetrieb Juden für die Hohen Feiertage versorgen konnten. Die waren auch ein Grund für die verspätete Eröffnung, sagt Schilowsky. »Wir wollen ja durchaus auch ein nichtjüdisches Publikum ansprechen, und wenn wir denen dann direkt zu Beginn erklären müssen, warum alle drei Tage geschlossen ist, wäre das etwas schwierig.«
Nun also nach den Feiertagen. Bis dahin gibt es noch einiges zu tun, müssen der Verkaufstresen installiert, die Backstube ausgebaut und die Tische eingerichtet werden. Denn das »Deli King« soll nicht nur eine »Mischung aus Tante-Emma-Laden und Versandhandel« für den koscheren Bedarf sein, es soll auch ein Ort zum Verweilen und für Veranstaltungen werden. Etwa 25 Gäste werden an den langen Holzbohlentischen Platz finden, um die frisch zubereitete Mazze und andere traditionell jüdische Köstlichkeiten zu genießen.
»Schön wäre es natürlich auch, wenn wir den Schabbat hier feiern könnten«, hofft Schilowsky, der mit seinem Cateringservice auch die Synagoge und die Talmud-Tora-Schule beliefert. Nachdem er drei Jahre in einem israelischen Luxushotel als Koch gearbeitet hatte und er und seine Frau ihr Herz an Israel verloren, kam es mit dem Wachsen der Schule zur Kooperation mit der Gemeinde.
Mittlerweile ist der Schulbetrieb von vier auf sieben Klassen angewachsen, auch ein Grund für die Erweiterung des Deli King. Hier werden dann frisch geschnittene Obst- und Gemüseplatten zubereitet und der koschere Lagerraum für den wachsenden Bedarf der Schule bereitgestellt.
Nachfrage Dass es auch darüber hinaus einen Wunsch nach koscheren Einkaufsmöglichkeiten gibt, stellten Schilowsky und Lohse fest, als sie im Weinhandel anfingen, auch Lebensmittel anzubieten. Aus der Kombination »umtriebiger Geschäftsmann und gelangweilter Rentner«, so Lohse, sei dann die Idee für das »Deli King« entstanden.
Lohse ist der Experte für Koscheres, die Produktrecherche, beispielsweise in Antwerpen, machen beide gemeinsam. Gut 200 Produkte sind es jetzt schon, das Sortiment soll auf 300 Artikel anwachsen, die dann im Laden oder im Onlineshop erhältlich sein werden. »Uns war es wichtig, dass Hamburg als Metropole einen koscheren Lebensmittelhandel hat«, sagt Schilowsky. Mitte Oktober kann man dann das Resultat genießen.
düsseldorf Es ist kurz nach zehn, als Yakov Israilov mit dem Fahrrad um die Ecke biegt. Nur ein paar Minuten ist er an diesem Morgen zu spät, doch die erste Kundin wartet bereits. »Schalom«, »Schalom«, beide lächeln, alles ist in Ordnung. Dann schließt er das Tor zu einem Hinterhof in der Düsseldorfer Bankstraße auf. Was sich dahinter verbirgt, lässt ein vergilbtes Klingelschild erahnen, auf dem noch das Wort »Kosher« zu lesen ist. Hier residiert der »Kosher King«. Das wirkt vielleicht etwas hochgegriffen, aber der Hinterhof soll nur eine Durchgangsstation sein.
Sein Geschäft möchte Israilov bald in besserer Lage sehen, gerne etwas größer und mit einem umfangreicheren Angebot.
An diesem Morgen allerdings ist die Auswahl völlig ausreichend. Die Kundin kann sich nur schwer entscheiden, welche der vielen Schokoriegel es sein sollen. Am Ende sind es mehr als ein Dutzend, Erdnussflips außerdem, und ein ganzer Stapel Hähnchenteile aus der Tiefkühltruhe. Nur wenige Quadratmeter groß ist der »Kosher King«, die Regale sind bis auf den letzten Zentimeter vollgeräumt.
Einige Kunden kommen selbstverständlich aus religiösen Gründen, doch die meisten aus sentimentalen. »Viele Leute achten gar nicht darauf, ob ihr Essen koscher ist oder nicht. Aber sie kaufen trotzdem hier ein, weil sie viele Sachen noch aus ihrer Kindheit in Israel kennen«, erzählt Israilov. »Ich selbst komme aus Südrussland, ich habe solche Erinnerungen nicht«, räumt er ein. Dann zeigt er auf einen der vielen Kuchen im Regal und sagt lächelnd: »Der hier ist von Osem, eine israelische Marke. Die Israelis sagen, dass es einfach der beste ist. Ich schmecke keinen Unterschied.«
Angebot Er bückt sich zu den Gläsern mit Gefilte Fisch herunter. »Die von meiner Mutter schmecken natürlich besser«, sagt er grinsend. »Aber die hier sind auch gut.« Und schließlich habe nicht jeder, der an den Feiertagen Gefilte Fisch essen wolle, die Zeit dazu, ihn selbst zuzubereiten. Deshalb wünschen sich die Käufer wohl auch besonders oft, dass der »Kosher King« Kleinigkeiten wie gefrorene Burekas, panierte Schnitzel oder Hähnchen-Nuggets ins Programm aufnimmt. »Sachen, die man schnell warm machen kann, Snacks«, sagt Israilov. Er arbeitet daran. Ein anderes wichtiges Produkt im Angebot: Wein. »Davon kaufen auch viele nichtjüdische Kunden gleich ganze Kartons.«
Am 2. September erst hat das Geschäft unter seiner Leitung eröffnet, rechtzeitig vor den Feiertagen. Bereits seit sieben Jahren ist hier ein koscherer Laden angesiedelt, in dem Israilov auch schon angestellt war. Zunächst hat ihn Chabad Lubawitsch betrieben, dann wechselte der Besitzer, gab die Räume aber nach neun Monaten wieder auf.
lieferungen Die Düsseldorfer Gemeinde mit ihren rund 7000 Mitgliedern unterstützte Israilov bei seiner Idee, das Geschäft nun selbst aufzuziehen. Lieferungen für die Küche im Schulzentrum oder das Elternheim der Gemeinde kommen bei ihm an. »Wir bestellen zusammen und teilen dann auf, was der Tiefkühlwagen bringt.«
Auch die Mitglieder der Gemeinde freuen sich über das Angebot des »Kosher King«. Am Wochenende steht eine große Brit Mila an. Geordert wurden Hummus und Burekas in großen Paketen. Israilov kauft in Antwerpen, Brüssel und Paris ein – direkt bei Großhändlern, deshalb müssen seine Kunden meist nicht oder nur ein wenig mehr zahlen, als sie es in den Geschäften im Nachbarland tun würden.
Auch mit einem belgischen Schlachthof arbeitet er zusammen, denn koscheres Fleisch aus Deutschland gibt es wegen der Gesetzeslage nicht. »Morgen fahre ich wieder nach Antwerpen. Wegen der Burekas. Die werden in Israel gebacken, kommen dann gefroren zu uns«, erzählt Israilov. Er hätte gerne eine eigene kleine Backecke in seinem Laden. Die wird es aber erst nach dem Umzug in andere Räumlichkeiten geben. Etwas repräsentativer soll es dann schon sein für den »Koscher King«.