Wenn Tamara Mochkova und Elena Melikiyan über die Waren sprechen, die sie auf ihrem Tisch ausgebreitet haben, geraten sie bei jedem einzelnen Produkt ins Schwärmen. »Der Dattelaufstrich ist immer ganz schnell weg«, erzählt Tamara Mochkova. »Die Kokoskekse mit Apfel-, Dattel- oder Erdbeerfüllung sind auch sehr beliebt«, ergänzt ihre Kollegin. Beide sind Mitglieder der Jüdischen Gemeinde in Wiesbaden. Einmal im Monat verkaufen sie koschere Lebensmittel. Ehrenamtlich.
Der Raum ihres zeitweiligen Koscherladens ist gerade einmal 25 Quadratmeter groß und liegt mitten in der Wiesbadener Innenstadt. Sie verkaufen Gefilte Fisch ungarischer Art, israelische Gurken, Mazze aus Frankreich sowie Wein und Traubensaft. Alles ist koscher. Darauf legen die beiden Frauen großen Wert.
Denn die Jüdische Gemeinde Wiesbaden möchte vor allem, dass sich die Mitglieder, die sich an die Kaschrut-Regeln halten wollen, koscher ernähren und sich die Produkte auch leisten können. Denn die Waren sind häufig nicht ganz billig und im Regelfall nur über einen Online-Händler zu beziehen.
Preise Hier in Wiesbaden bezahlen die Kunden nur den Einkaufspreis und anteilig die Transportkosten. Bei dem Einkauf in der Gemeinde entfällt der Zwischenhändler, denn sie selbst verdienen nichts an dem Verkauf der Lebensmittel, betont Geschäftsführer Steve Landau. »Bei uns bekommt man, was man im Supermarkt nicht kaufen kann«, sagt er und verweist darauf, dass beispielsweise Edeka in einigen Filialen auch koschere Produkte in speziell dafür reservierten Regalen anbietet.
Gemeindevorstand Jacob Gutmark ergänzt: »Wir gehen mit unserem Laden auch auf die Sorge unserer Rabbiner ein, denen sehr daran gelegen ist, dass Menschen sich nach ihrem Eintritt in die jüdischen Gemeinden mit koscheren Lebensmitteln versorgen können.« Der Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Hessen möchte alle zehn Gemeinden auch finanziell dabei unterstützen, sich einen Vorrat an koscheren Lebensmitteln anzulegen.
Kiddusch-Wein So könnte dieser temporäre Koscherladen in Wiesbaden zum Vorbild auch für andere Gemeinden werden. Die teuerste Flasche Wein kostet hier 6,30 Euro. Es ist ein Cabernet Sauvignon, trocken, rot – aus Israel. Die Weine werden nicht direkt von dort importiert, das wäre viel zu teuer, erklärt Geschäftsführer Landau. Der Partner bei Weinen und Säften ist eine Firma in Schleswig-Holstein. Sie wiederum bezieht ihre Weine aus Israel. Sieben Weinsorten hat die Wiesbadener Gemeinde derzeit vorrätig. Die günstigste Flasche kostet vier Euro. Es ist süßer Kiddusch-Wein.
Die Mazze und all die anderen Lebensmittel kommen von Feinkost Danel in München, die in der dortigen Prinzregentenstraße auch eines der wenigen koscheren Lebensmittelgeschäfte in Deutschland betreiben. Die meisten Waren bezieht die Wiesbadener Gemeinde direkt aus Israel. Aber auch aus anderen Ländern werden koschere Lebensmittel importiert, Mazze beispielsweise aus Frankreich, wo es besonders viele Mazze-Bäckereien und auch eine große Auswahl gibt.
Reveka Polonskaja ist die erste Kundin, die heute in den »Laden« von Tamara Mochkova und Elena Melikiyan kommt. Sie weiß genau, was sie will: Hühner-Consommé. »Die schmeckt sehr gut«, versichert die 70-Jährige gut gelaunt. Sie kauft ein Kilo-Päckchen. »Das ist für mich und meine Tochter, die in Berlin lebt und mich in dieser Woche besuchen kommt«, erzählt Elena Melikiyan. Die Hälfte gibt sie dann ihrer Tochter mit.
Tamara Mochkova weiß, wie das ist, wenn man sich vor Ort nicht mit koscheren Lebensmitteln eindecken kann. »Wenn ich meine Tochter in Aachen besuche, bringe ich ihr auch immer etwas mit«, erzählt sie. Das Angebot an koscheren Lebensmitteln in der Jüdischen Gemeinde hat offenbar einen guten Ruf – auch über Wiesbaden hinaus.
sortiment Und in Anbetracht des kleinen Raumes ist das Sortiment durchaus beachtlich: verschiedene Suppenpulver (Champignon, Gemüse), einige Sorten Kuchen, Schoko-Chips und der beliebte Dattel-Aufstrich. Auch Judaika gibt es hier wie Mesusot oder Kerzen für Jiskor und Schabbat.
Per E-Mail werden die Mitglieder zudem informiert, wann die Gemeinde koscheres Fleisch bestellt. Insbesondere vor Feiertagen oder zu besonderen Anlässen ist das sehr willkommen. Dann können die Mitglieder auch ihre eigenen Bestellungen aufgeben. 50 bis 60 Kilo Fleisch ordert die Gemeinde meist, zuletzt hat sie 88 Kilo bezogen, berichtet Landau.
nachfrage Zu Pessach habe man eigentlich schon immer die entsprechenden Waren wie Mazzot, Gewürzgurken und Wein angeboten, berichtet Landau. Und nach wie vor ist die Nachfrage vor allem an Pessach am größten. »Dann stehen die Leute Schlange bis in den Hof.« Seit drei oder vier Jahren hat die Gemeinde nun das Angebot erweitert. Und das Interesse ist seither immer weiter gestiegen, auch weil das Angebot vielfältiger geworden sei, sagt Landau.
Der Verkauf von koscheren Lebensmitteln ist zwar in erster Linie für Gemeindemitglieder gedacht, er steht aber auch Nichtjuden offen.
Die nächsten Verkaufstermine sind Dienstag, 4. September, und Donnerstag, 6. September, von 15 bis 17 Uhr in der Friedrichstraße 31–33 in Wiesbaden. Am Eingang zum Gemeindezentrum bei »Clubraum« klingeln.