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Wuppertal

Das Wunder von Barmen

Nähert man sich vom Bahnhof Wuppertal-Barmen der Bergischen Synagoge, so bleibt sie bis zum letzten Moment hinter der Gemarker Kirche verborgen. Dort wurde 1934 die »Barmer Theologische Erklärung« verabschiedet, ein Bekenntnis in sechs Thesen zur Position der Evangelischen Kirche in der NS-Zeit.

Vermissen ließ sie eine Solidaritätsbekundung mit den Juden in Zeiten der Verfolgung. So war es ein symbolträchtiger Akt, als vor rund 15 Jahren die evangelische Kirchengemeinde Gemarke das Grundstück hinter ihrer Kirche der Rheinischen Landeskirche verkaufte – mit dem Zweck, es der stetig wachsenden jüdischen Gemeinde als Baugrund für eine Synagoge unentgeltlich zu überlassen. Dem entsprach die Rheinische Kirchenleitung mit der Begründung, dass nach einer Geschichte brutaler Enteignung jüdischen Besitzes und Bodens eine Geschichte der Übereignung stehen solle.

Gemeinsamer Hof Als Zeichen der Verbundenheit verzichtete man beiderseits auf einen Zaun zwischen den Gotteshäusern und übertrug die Eröffnung der Synagoge im Jahr 2002 live in die Gemarker Kirche. Der zwischen den Gebäuden entstandene Innenhof wird von beiden Gemeinden genutzt, auch für gemeinsame Feste. Es sei wie eine Wohngemeinschaft, sagte eine Presbyterin.

So war die Feier zum zehnjährigen Bestehen der Bergischen Synagoge am vergangenen Sonntag auch ein Spiegel dieser Verbundenheit: Dem Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Präses Nikolaus Schneider, wurde vor rund 200 Gästen die Goldene Menora verliehen – aus Dankbarkeit und als Ermutigung, seinen Weg einer Kirche ohne »Juenmission« fortzusetzen. Die Auszeichnung gelte Schneider persönlich, aber auch der Landeskirche, sagte Leonid Goldberg, Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde Wuppertal.

Auszeichnung Die Goldene Menora wird in Form einer Ehrennadel seit 2003 an Nichtjuden verliehen, die sich um die Jüdische Kultusgemeinde besonders verdient gemacht haben. Bislang wurden 19 Personen geehrt, darunter mehrere Vertreter der Evangelischen Kirche.

»Zur Entstehung der Synagoge haben viele beigetragen«, erzählt Goldberg, neben der Kirche auch Politiker, Handwerker, Künstler und Privatleute. Und wenn die Gemeinde den Architekten immer wieder einlade, könne dieser seine Arbeit nicht so schlecht gemacht haben. Der hebräische Bibelvers über dem Eingang des neuen Gebäudes befand sich schon auf dem Hauptportal der 1938 zerstörten Barmer Synagoge, übersetzt steht dort: »Dein Haus wird ein Bethaus für alle Völker sein.«

Die Bergische Synagoge genösse jedenfalls einen hohen Respekt, sagt Oberbürgermeister Peter Jung, es habe nur einmal eine Schmiererei von »einen dummen Jungen« gegeben. So positiv sieht es Ulrike Schrader nicht. Die Leiterin der Gedenkstätte »Begegnungsstätte Alte Synagoge« berichtet in ihrem Buch Goldschmidt, Cohn und Mandelbaum über »Hakenkreuzschmierereien am jüdischen Friedhof und auch an der Synagoge.« Zudem sei es in Wuppertal durchaus nicht ungefährlich, in der Fußgängerzone eine Kippa zu tragen, erzählte Schrader.

Da der Festakt zum zehnjährigen Bestehen der Bergischen Synagoge am 25. Kislew begangen wurde, dem Beginn von Chanukka, verkündete Gemeinderabbiner David Vinitz gleich ein dreifaches Chanukka: Das erste sei das Licht von Adam, das zweite die Wiedereinweihung des Tempels durch die Makkabäer und das dritte die neue Synagoge, die vor zehn Jahren ihr Licht angezündet habe.

Auch Sylvia Löhrmann, Stellvertretende Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, gebrauchte das Chanukkawunder als Symbol für die Geschichte der Wuppertaler Gemeinde. 3200 Mitglieder hatte sie vor der NS-Zeit, 1945 waren es noch 145 und jetzt wieder 2300. »Damit ist Ihre Gemeinde auch ein Licht!«, betonte Löhrmann in ihrer Rede.

Gefahr Jüdisches Leben und jüdische Geschichte seien ein »existenzieller Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses und der Identität aller Deutschen«. Extremismus entstehe nicht plötzlich, sondern sei das Produkt vieler kleiner »Fehleinschätzungen und Nachlässigkeiten«. Gerade die subtilen Formen von Rassismus und Antisemitismus seien gefährlich. Man brauche lebendige Orte des Erinnerns und des Dialogs – Orte wie die neue Synagoge in Wuppertal.

»Sie ist eine junge, kraftvolle Pflanze«, sagt Ilka Federschmidt, Superintendentin des evangelischen Kirchenkreises. Das Wort »Wunder« sei hier zutreffend. Dass nach der Geschichte der brennenden Synagogen »wieder eine da steht«, das sei tatsächlich »wie ein Wunder«, sagte Bruno Kurth, Stadtdekan der Katholischen Kirche. Eigentlich seien Christen und Juden wie Geschwister – und die Juden seien dabei die älteren.

Lernen vom Judentum in Zuhörerschaft. Das ist eine der Bestrebungen von Präses Nikolaus Schneider. An der Universität habe er noch etwas anderes gelernt, und bis heute gebe es Widerstand gegen die Synode der Rheinischen Kirche von 1980. Sie bekräftigt, dass die Heimkehr des Judentums in das Land der Verheißung und auch die Errichtung des Staates Israel Zeichen der Treue Gottes gegenüber seinem Volk seien – gerade nach der Schoa. Die Kirche habe eine lange Schuldgeschichte gegenüber Israel, die Geschichte des Segens hingegen sei eine kurze, sagte Schneider. »Ich hoffe, dass sie die bestimmende wird.«

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