Herr Rabbiner Balla, am Mittwoch beginnt der 100. Katholikentag in Leipzig. Gestalten Sie als Rabbiner vor Ort den christlich-jüdischen Dialog mit?
Ja, ich bin an fünf Veranstaltungen beteiligt: Es gibt eine Podiumsdiskussion über »Religion – Privatangelegenheit oder öffentlicher Auftrag«, es gibt einen Programmpunkt »Frag den Herrn Rabbiner«, und ich halte auch einen Vortrag zum Thema »Vielfalt im orthodoxen Judentum«.
Welche Programmpunkte zum Judentum gibt es außerdem beim Katholikentag?
Es gibt ein Streitgespräch zwischen Juden, Christen und Muslimen zum Thema »Alle Menschen sind gleich« – und außerdem eine sehr interessante Diskussion über »(Ver)Alte(te)s Testament? Die Bedeutung der Bibel für Juden und Christen«. Leider kann ich aus Zeitgründen an dieser Diskussion nicht teilnehmen, denn ich habe noch nicht die Fähigkeit entwickelt, zur gleichen Zeit an zwei verschiedenen Orten zu sein. Aber am Freitag bin ich bei der Vernissage der Ausstellung »Jüdisches Leben in Leipzig« der Leipziger jüdischen Arbeitsgemeinschaft dabei. Die jüdische Gemeinde und ich sind dieser Arbeitsgemeinschaft übrigens sehr dankbar, denn ohne sie wüsste ich gar nicht, wo unsere Gemeinde heute stehen würde.
Was meinen Sie damit?
Anfang der 90er-Jahre hatte die jüdische Gemeinde in Leipzig nur noch etwa 30 Mitglieder. Die christlichen Gemeinden haben uns – das war noch vor meiner Zeit als Rabbiner – absolut altruistisch unterstützt und uns sehr ermutigt, das jüdische Leben in Leipzig nicht aufzugeben. Und diese gute Zusammenarbeit setzt sich bis heute fort – sogar mit der Vorlesung eines evangelischen Theologen zusammen mit mir in der Leipziger Universität zum Thema »Einführung ins Judentum«.
Zurück zum Katholikentag: Welche Berührungspunkte hat die Großveranstaltung mit Leipziger Gemeindemitgliedern?
Wir haben sehr viel zu tun. Unser Gemeindezentrum, das Ariowitsch-Haus, wird stark für die Veranstaltungen des Kirchentags genutzt.
Laden Sie die Gäste des Katholikentags auch zum Gottesdienst ein?
Unser Gottesdienst am Freitagabend in der Synagoge ist öffentlich, und wir erwarten viele Kirchentagsgäste. Alle Menschen sind eingeladen, um zu erfahren, wie ein jüdischer Gottesdienst abläuft. Ich gehe davon aus, dass es sehr voll wird.
Im Dezember 2015 hat sich der Vatikan in einem Dokument offiziell von der Judenmission verabschiedet. Einige orthodoxe Rabbiner haben diesen Schritt in einer Erklärung unterstützt. Wie stehen Sie dazu?
Ich bewerte das Dokument des Vatikans als sehr positiven Schritt. Mit der Unterstützung dieses Schrittes durch Rabbiner bin ich grundsätzlich einverstanden. Das sind gute Entwicklungen.
Mit dem Rabbiner der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig sprach Ayala Goldmann.