Nie wieder. Schon wieder. Immer noch.» Bis Ende April 2018 ist unter diesem Titel im NS-Dokumentationszentrum eine Sonderausstellung zu sehen, die Rechtsextremismus seit 1945 beleuchtet. Die Ausstellung ist in Kooperation mit der Fachstelle Demokratie der Landeshauptstadt München und der Antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München (a.i.d.a.) entstanden.
Die Chronologie des Rechtsextremismus nach 1945 ist zugleich eine der verbalen und physischen Gewalt, wie die Sonderausstellung anhand vieler Beispiele aus den vergangenen 70 Jahren belegt. Diese Zeit ist ebenso geprägt von einem steten Kommen und Gehen unterschiedlicher Akteure, Strömungen, Organisationen und Netzwerke. Was sich jedoch wie ein roter Faden durch die Jahrzehnte und die Ausstellung zieht, sind die Ideologie, die Rhetorik und die Gewalt der extremen Rechten.
Rechtspopulismus Bei einem Rundgang zur Eröffnung der mit mehreren Strängen arbeitenden Ausstellung ist es Gründungsdirektor Winfried Nerdinger wichtig, auf eine Trennung von Rechtsextremismus und Rechtspopulismus hinzuweisen. Viele Exponate und Dokumentationen in den eigenen Ausstellungsräumen verdeutlichen aber auch Schwierigkeiten. Der Holocaust-Überlebende Max Mannheimer sel. A., der Brückenbauer und Mahner, wird in der Ausstellung zitiert, indem er auf die gefährliche Grauzone hinweist, in der Akteure schwer zu unterscheiden sind: Populisten? Extremisten?
Auf die giftige Gemengelage am rechten Rand der Gesellschaft geht auch IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch bei der Ausstellungseröffnung ein. «Es ist schwer zu ertragen, dass zum Teil dieselben einschlägig verurteilten Rechtsterroristen, die die Grundsteinlegung zum Jüdischen Zentrum am St.-Jakobs-Platz in ein Blutbad verwandeln wollten, heute wieder ihre Gesinnungsgenossen mobilisieren und anführen können. Sei es in der Partei ›Die Rechte‹, im ›III. Weg‹ oder in der Pegida-Bewegung, die in München rasch ein Hort für Neonazis wurde.»
Was der IKG-Präsidentin Sorgen bereitet, ist auch ein in der Ausstellung unverzichtbarer Teil: die AfD mit ihren unverkennbar rechtsextremistischen Tendenzen. «Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Homophobie, völkischer Nationalismus und Geschichtsrevisionismus sind zwar noch nicht mehrheitstauglich, aber bereits so massentauglich, dass sie den Einzug in Parlamente sicherstellen», betonte Knobloch mit Blick auf die AfD im Bundestag.
Nazis «Nie wieder!» war der Schwur der Befreiten aus dem KZ-Buchenwald. Aus dem «Nie wieder» wurde nach Kriegsende ein «Schon wieder» mit Fragezeichen, denn nur Monate später tauchten überzeugte Nazis wieder auf. Dokumente, die offenen Antisemitismus aus dem Jahr 1946 belegen, gehören zur Ausstellung. Rechter Terror und München sind in der Ausstellung fest miteinander verbunden, wie der Bombenanschlag auf das Münchner Oktoberfest im September 1980 mit 13 Toten und über 200 Verletzten zeigt.
Die Militanz der Rechtsextremisten, die schon in den 70er-Jahren terroristische Züge bekam, wuchs nach der Wiedervereinigung. Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Mölln, Solingen: An den pogromartigen Ausschreitungen und Brandanschlägen, die sich Anfang der 90er-Jahre dort zutrugen, kommt die Ausstellung ebenfalls nicht vorbei. Auch nicht am Nationalsozialistischen Untergrund, der Terrorgruppe, die zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen tötete. Die Zahlen, Daten, Erläuterungen und Quellen, die das NS-Dokumentationszentrum mit der Ausstellung den Besuchern zeigt, wirkt beklemmend.
Diese Beklemmung macht Charlotte Knobloch bei der Eröffnung deutlich, als sie einen verzweifelt klingenden Satz des Holocaust-Überlebenden, Schriftstellers und Professors Eli Wiesel zitiert: «Wenn es Auschwitz nicht gelang, den Menschen vom Rassismus zu heilen, was könnte sonst dazu führen?» Diese Frage stellte die IKG-Präsidentin angesichts des eklatanten Anstiegs rassistisch motivierter Gewalt zu recht in den Raum.
Laut der Ausstellungsmacher habe das Bundesinnenministerium allein im vergangenen Jahr 3500 Angriffe auf Flüchtlinge und deren Unterkünfte registriert. Außerdem findet sich auch ein Plakat der 1949 gegründeten «Deutschen Gemeinschaft». Auf dem fast 70 Jahre alten Dokument steht die Diktion, die Rechtsextremen auch heute noch dient.
Gedenken Das Ausstellungsende im kommenden Frühjahr fällt mit dem Ende der Amtszeit von Winfried Nerdinger als Direktor des NS-Dokumentationszentrums zusammen. Ihm galt der besondere Dank der IKG-Präsidentin. «Sie haben uns gelehrt, dass Erinnerungskultur wehtun muss. Dass Gedenken und Erinnern nicht dasselbe sind, dass aus dem Erinnern eine Handlungsdevise an die Heutigen ergeht, eine Verpflichtung über das Gedenken hinaus. Das Vermächtnis der Vergangenheit lautet nicht nur: Vergesst nicht! Es lautet: Wiederholt nicht. Wir sind gescheitert, das ›Nie wieder!‹ zu gewährleisten. Lassen Sie uns alles daran setzen, wenigstens das ›Immer noch‹ zu beenden.»