Schon der Titel klingt verheißungsvoll: 50 jüdische Künstler, die man kennen sollte. Der Autor Edward van Voolen hat das Buch im Prestel-Verlag veröffentlicht, und das Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde nahm diese Neuerscheinung zum Anlass, um gemeinsam mit dem Verlag und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit das Buch während der »Woche der Brüderlichkeit« vorzustellen. Van Voolen war dazu für einen anregenden und spannenden Abend in das Münchner Gemeindezentrum am Jakobsplatz gekommen.
Die Arbeit an dem Buch habe ihm viel Freude gemacht, sagte der Rabbiner, Kunsthistoriker, Kurator am Jüdischen Historischen Museum in Amsterdam sowie Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher über Kunst, Kultur und Religion. Für seinen Vortrag hatte er 20 der 50 im Buch vorgestellten Maler, Bildhauer, Installationskünstler, Fotografen und Filmemacher ausgewählt.
Mit deren Vorstellung ließ van Voolen die Besucher anschaulich und mitreißend 200 Jahre Kulturgeschichte erleben – von Moritz Daniel Oppenheim (1800–1882) bis zu Sigalit Landau, die im vergangenen Jahr Israel auf der Biennale in Venedig vertreten hat. Dabei brachte van Voolen stets Künstler, Kunstwerk und deren Verbindungen zum Judentum und dem jüdischen Leben der Zeit zusammen. Doch nicht nur das. Sein kunsthistorischer Streifzug zeigte Mentalität und Gesinnung sowohl der jüdischen wie der nichtjüdischen Bevölkerung im Europa der Aufklärung und Assimilation auf, machte Vorurteile bis hin zur Vernichtung während der Schoa deutlich.
Zu den Schlüsselbildern des aufkeimenden jüdischen Selbstbewusstseins als deutsche Staatsbürger gehört das Gemälde von Moritz Daniel Oppenheim, das sich heute im Jüdischen Museum in New York befindet. Es ist 1833/34 entstanden und zeigt die »Heimkehr eines jüdischen Freiwilligen aus den Befreiungskriegen zu den nach alter Sitte lebenden Seinen«.
Anerkennung Van Voolen zeigte nicht nur sämtliche Details auf, die in dem Wohnraum auf traditionelles jüdisches Leben hinweisen. Der Vater schaut intensiv auf das Eiserne Kreuz, mit dem der Soldat ausgezeichnet worden ist, ein wichtiges Indiz für den Wandel in der Anerkennung der Juden in der deutschen Gesellschaft. Dennoch, Vorurteile sind geblieben. Van Voolen nimmt als Beispiel dafür ein Gemälde von Max Liebermann: »Der zwölfjährige Jesus im Tempel«, entstanden 1879. Liebermann habe dieses Bild mehrfach übermalt, so seien zum Beispiel die ursprünglich schwarzen Haare von Jesus hell geworden.
Eines aber ist in der Komposition geblieben, und das stellt van Voolen besonders heraus: Anders als in den gängigen Darstellungen von Jesus im Tempel seien die Priester nicht unsympathisch dargestellt. Vielmehr wenden sie sich dem Zwölfjährigen mit freundlichem Interesse zu. Auf einen eher heiteren Aspekt, der bei der Betrachtung des »Selbstbildnisses mit Küchenstillleben« von Liebermann kaum auffällt, wies der Vortragende gezielt hin. Unter den Essenszutaten befindet sich ein Huhn – mit Koscher-Zertifikat. Das Bild habe Liebermann gemalt, um seiner frommen Mutter eine Freude zu machen.
Bialystok Van Voolen zeigte auch Bilder mit Hinweisen auf Pogrome und Schoa. Da war zum einen das Gemälde Nach dem Pogrom von Maurycy Minkowski, entstanden 1910 und heute ebenfalls im Jüdischen Museum in New York. Der Maler selbst hatte Pogrome in Bialystok erlebt und die gemalte Szene von Menschen, die mit ihrem verbliebenen Hab und Gut auf der Straße sind, wohl selbst gesehen.
Von besonders starker Eindruckskraft ist die Installation von Menashe Kadishman im Berliner Jüdischen Museum. Unter dem Titel Shalechet – Gefallenes Laub hat er rund 10.000 Einzelskulpturen geschaffen: runde bis ovale Platten, die Gesichter mit ausgestanzten aufgerissenen Mündern und leeren Augen zeigen.
Van Voolen verwies noch auf den akustischen Effekt der Installation, wenn man sie betritt. Mit der Farblithografie von Eliezer El Lissitzky Und dann kam das Feuer und verbrannte den Stock, publiziert vom jüdischen Werkbund Kiew, präsentierte van Voolen eine weitere Besonderheit.
Der Titel bezieht sich auf einen Vers aus dem Pessach-Lied Chad Gadya. Zum anderen verweist das Bild auf die Pogrome und das Verbrennen von Synagogen. Und schließlich werden hier wesentliche Stilelemente der Malerei des beginnenden 20. Jahrhunderts sichtbar.
In der anschließenden Diskussion wurde die Frage gestellt, wie sich die Malerei mit dem religiösen Bilderverbot vereinbaren lasse: Van Voolen ging in seiner Antwort auf den Sinn dieses Gesetzes ein und erklärte, dass es dabei um ein Verbot von Bildern ging, vor denen Menschen sich verneigten, denen also Ehrerweisung wie Gott entgegengebracht werde. Sofern dies nicht der Fall sei, werde künstlerische Darstellung möglich.