Bei seinem Besuch im Jüdischen Bildungszentrum von Chabad Lubawitsch Berlin ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erleichtert: »Ich bin dankbar und glücklich, dass die Kinder und Jugendlichen nach einer langen Reise wohlbehalten hier in Berlin angekommen sind«, sagte er in einer Ansprache am Montagmittag.
AUSREISE Steinmeier lobte die Arbeit von Chabad Berlin, die über ihre Verbindungen zu ihren Schwester-Gemeinden in der Ukraine die Ausreise der Waisenkinder erwirken konnte. »Chabad hat sofort und ohne zu zögern die Initiative ergriffen und leistet hier im Bildungszentrum tatkräftig Hilfe«, sagte Steinmeier, der in Begleitung seiner Frau Elke Büdenbender und zusammen mit der Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) kam.
Auch für die Hilfsbereitschaft vieler Berliner fand der Bundespräsident anerkennende Worte: »Menschen aus der ganzen Stadt kommen hierher, um Essenspakete und Spenden abzugeben.« Für alle, die die Bemühungen um das Wohlergehen der jüdischen Kinder aus Odessa finanziell unterstützen wollen, hat Chabad ein Spendenkonto eingerichtet.
Im Anschluss an Steinmeiers Rede ging es für ein kurzes Gebet in die Synagoge und anschließend zum Mittagessen in den Speisesaal des Jüdischen Bildungszentrums, wo der Bundespräsident von den geflüchteten Mädchen und Jungen mit Gesang und Applaus begrüßt wurde.
Wegen des Krieges in der Ukraine musste das jüdische Waisenhaus von Odessa evakuiert werden. Mehrere Tage waren die 107 Kinder und jungen Erwachsenen sowie ihre Betreuer in Bussen von Rumänien über Ungarn bis nach Deutschland unterwegs, bevor sie am Freitag schließlich in Berlin ankamen.
HOFFNUNG Im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen nannte der Vorsitzende von Chabad Berlin, Rabbiner Yehuda Teichtal, Frank-Walter Steinmeier einen »außerordentlichen Menschen mit einem großen Herz«. Dessen Besuch sei für die Kinder und Jugendlichen aus Odessa, die zwischen wenigen Monaten und 18 Jahren alt sind, eine große Freude gewesen und gebe ein wenig Mut und Hoffnung in diesen schweren Zeiten.
Die Kinder hätten seit letzten Freitag etwas Zeit gehabt, um sich von der langen Anreise zu erholen, sagt Rabbiner Teichtal. Wie es jetzt weitergehe, müsse man sehen. Darüber sei er auch im Gespräch mit Bildungssenatorin Busse sowie mit Katja Kipping (Linke), der Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales.
Zu besprechen und zu organisieren wird es ohne Frage viel geben. Mitten in der Nacht von Montag auf Dienstag kam nämlich eine zweite Gruppe von Flüchtlingen aus Odessa in der deutschen Hauptstadt an: Chabad Berlin nimmt etwa 120 weitere Menschen auf, darunter überwiegend Mütter mit ihren Kindern.
Rabbiner Teichtal kommentierte in einer Pressemitteilung diese zweite Ankunft von Flüchtlingen aus der Ukrainer mit folgenden Worten: »Wir freuen uns den Kindern einen sicheren Hafen bieten zu können. Vor 80 Jahren mussten Juden aus Deutschland fliehen. Heute nimmt Deutschland jüdische Flüchtlinge auf. Was für eine Entwicklung!«