Während Alexander Drehmann in der Gemeindebibliothek eine Halbzeitbilanz der ersten Jüdischen Kulturtage in der Gemeinde Duisburg-Mülheim/Ruhr-Oberhausen zieht, bietet der Autor Gideon Böss im großen Saal nebenan seltene Einblicke in die Praktiken einer sehr abgeschotteten Religionsgemeinschaft. Da laufen Männer mit Schwertern umher, Frauen in grüner Robe wedeln mit Räucherstäbchen, auf einem Altar liegen Kekse. Böss hat eine Familie von Hexen besucht und amüsiert sein Publikum mit bemerkenswerten Details.
Mit solch bezaubernden Szenen ist im Jüdischen Gemeindezentrum am Duisburger Innenhafen nicht zu rechnen. Dennoch ist Geschäftsführer Drehmann überzeugt, die Besucher der Kulturtage gut unterhalten zu können. Die Reihe ergänzt erstmals den Veranstaltungskalender der Gemeinde – und schon jetzt steht fest: Die Kulturtage werden keine einmalige Sache bleiben.
Öffnung »Die Jüdischen Kulturtage sollen ein Zeichen der Öffnung sein«, sagt Drehmann und ergänzt: »Das sagt jeder. Aber es stimmt einfach. Die Gemeinde muss präsent sein, die Menschen sollen sehen, dass wir tatsächlich da sind. Gleichzeitig ist es auch ein Dankeschön an die Kommune und die Bürger, denn wir haben ein ausgezeichnetes Verhältnis zu Duisburg, Mülheim und Oberhausen.« Damit betont er etwas, das eigentlich normal sein sollte, »doch die Realität sieht in vielen Städten anders aus«, sagt Drehmann. »Wir haben Glück.« Die gute Zusammenarbeit finde auch in der Organisation der Kulturtage ihre Fortsetzung. Für einige Programmpunkte stellen die Kommunen beispielsweise kostenfrei Räumlichkeiten zur Verfügung.
Das ermöglicht der Gemeinde, sowohl Mitglieder als auch nichtjüdische Bürgerinnen und Bürger anzusprechen – die einen beim Besuch des Gemeindezentrums, die anderen mit Flyern in der Volkshochschule oder Stadtbibliothek. Welche Gruppe leichter zum Besuch von Kulturveranstaltungen mit jüdischem Hintergrund zu motivieren ist, kann Drehmann nicht sagen. »Darauf gibt es keine einfache Antwort. Die Gemeindemitglieder begeistern wir schnell mit Musik – Literatur kommt bei den nichtjüdischen Bürgern gut an«, sagt Drehmann. Das Fest des jüdischen Buches, eine etablierte Veranstaltung in Duisburg, wurde in diesem Jahr in die Kulturtage integriert. Daneben gibt es historische Vorträge in den drei Städten, außerdem Filme im kommunalen Kino in Duisburg, Konzerte mit Klezmer, Jazz und Klassik, Ausstellungen, Lesungen. »Eine bunte Palette jüdischen Lebens und jüdischer Kultur.«
Verbesserungen Zur Mitte der ersten Auflage zeigt sich der Geschäftsführer der Gemeinde zufrieden, hat aber bereits gemerkt, dass es einiges zu verbessern gibt. »Learning by doing«, gibt er als Motto aus. Bei der einen oder anderen Veranstaltung habe er sich beispielsweise mehr Publikum gewünscht, »aber wir haben uns zum Teil selbst Konkurrenz gemacht«. Daraus wolle man lernen und die Planung in den kommenden Jahren verbessern. Sein kleines Team lobt er dennoch, die engagierten Mitarbeiter und Gemeindemitglieder hätten großartige Arbeit geleistet. Drehmanns Dank gilt ebenfalls dem Zentralrat der Juden, der die Kulturtage finanziell unterstützt.
Auch wenn die Hälfte der Veranstaltungen schon vorbei ist, haben die Kulturtage noch einiges zu bieten: Am Donnerstag zeigt das Filmforum am Duisburger Dellplatz ab 18 Uhr Die Frau in Gold. Der Film mit Helen Mirren und Ryan Reynolds in den Hauptrollen handelt vom Raub des Klimt-Gemäldes Adele Bloch-Bauer I durch die Nazis. Ebenfalls am 22. September wird ab 19 Uhr die szenische Lesung »Ehrwürdige Monstrums, süße wilde Juden« in der Volkshochschule Oberhausen, Langemarkstraße 19–21, zu erleben sein.
Ostjudentum Am Freitag hält Ludger Heid ab 17 Uhr in der Volkshochschule Oberhausen einen Vortrag über ostjüdische Arbeiter im Ruhrgebiet zwischen 1914 und 1923. Beim Jazzkonzert am Sonntag stehen ab 16 Uhr die Goldenen Zwanziger im Mittelpunkt. Das Trio Tulips spielt im Duisburger Gemeindezentrum am Springwall. Nebenan, im Ludwigturm am Innenhafen, ist von 11 bis 18 Uhr die Ausstellung Israelische Künstler im Deutschen Raum zu sehen. Das Filmforum Duisburg zeigt außerdem ab 18 Uhr den Dokumentarfilm Rabbi Wolff von Britta Wauer.
Igor Pekhovich vom Moskauer Theater Na Taganke ist am Dienstag, 27. September, ab 18 Uhr im Gemeindezentrum am Springwall zu Gast. Der erste Akt in russischer Sprache basiert auf Gedichten von Josef Brodsky, im zweiten Akt gibt es Lieder auf Russisch und Jiddisch zu hören.