Viel Glas, ein breiter Durchgang zu einem hellen Innenhof, von dem aus jeder Flügel des Gebäudes betreten werden kann: Der Bau des Gemeindezentrums Shalom Europa der Würzburger Gemeinde setzt durch seine Gestaltung ein Zeichen der Offenheit. Zum einen will die Gemeinde offen sein nach innen für ihre mehr als 1000 Mitglieder, von denen viele nach 1990 als Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland kamen. Zum anderen will sie offen nach außen sein für alle Menschen in der Gesellschaft. Entworfen wurde der moderne, einladende Bau von den Architekten Grellmann, Kriebel und Teichmann.
Die Gäste des Festakts zum zehnjährigen Bestehen des Gemeindezentrums am vergangenen Montag konnten wahrnehmen, dass Sicherheitsvorkehrungen diese Offenheit inzwischen optisch etwas einschränken. Zwei Tore aus Stahlgitter verkleinern den Durchgang zum Innenhof und können diesen schnell komplett verriegeln.
Vor zehn Jahren mussten Besucher einfach nur durch eine Glastür gehen, um das Museum, das zur Würzburger Gemeinde gehört, zu betreten. Jetzt müssen sie klingeln. »Dass die Tür jetzt nicht mehr ständig offen ist, bedauere ich«, sagt Josef Schuster, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) in Würzburg und Unterfranken und des Zentralrats der Juden in Deutschland, in seiner Ansprache zum Festakt an diesem Montag anlässlich des Jubiläums. Denn die Dauerausstellung im Erd- und Untergeschoss des an der Straße gelegenen Gebäudeflügels soll eben möglichst ohne Hemmschwellen die geistige Brücke zwischen Gemeinde und Außenwelt bilden.
900 Jahre Deshalb widmen sich Informationen und Exponate einerseits der mehr als 900 Jahre währenden, durchaus herausragenden Geschichte der jüdischen Gemeinde. Im Mittelalter etwa wirkten mehrere bedeutende Rabbiner in Würzburg. Im 19. Jahrhundert begründete der Rabbiner Seligmann Bär Bamberger in der Stadt am Main die Würzburger Orthodoxie, die Tradition und religiösen Fortschritt in Einklang brachte und die von der Gemeinde bis heute gepflegt wird.
Andererseits – und das ist das Einzigartige – bringt das Museum nahe, wie Judentum in der Würzburger Gemeinde aktuell gelebt wird. So vermitteln Schrifttafeln und Fotos, wie die jüdischen Feste gefeiert werden. Ein Besuch der Synagoge ist Teil fast jeder Führung. Viele Gäste begegnen im Hof oder auf einem Gang zufällig Jakov Ebert, der seit 2001 Rabbiner der Gemeinde ist.
Sie sehen vielleicht, wie Kinder, Jugendliche und Erwachsene die Angebote der Gemeinde nutzen, etwa den Jugend- oder Seniorenklub. Sie sehen vielleicht Jugendliche, die zu Gast sind. Denn das Shalom Europa beherbergt zudem das Lauder Chorev Center, das zweimal im Monat Gruppen zur Begegnung nutzen.
Pleich Herzstück des Museums sind jedoch die Grabsteine aus der Pleich. Diese mehr als 1500 jüdischen Grabmale, die 1987 bei Abrissarbeiten im Stadtteil Pleich entdeckt wurden, beweisen, dass die Würzburger Gemeinde schon im Hochmittelalter ein bedeutendes Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit war. So viele mittelalterliche Grabsteine wie in Würzburg gibt es nirgendwo sonst auf der Welt, heißt es.
Für die Mitarbeiter des Museums gab es jedoch von Anfang an kein Budget. Deshalb arbeiten 161 Frauen und Männer ausschließlich ehrenamtlich bei Aufsicht und Führungen. Jeder Zehnte der Freiwilligen ist inzwischen ein Gemeindemitglied. Um ihre Arbeit gut zu machen, erlernen die Ehrenamtlichen in Kursen Grundlagen zur Geschichte der Juden in Würzburg und zum Judentum sowie zum jüdischen Glauben. Die Kurse schließen mit einer Prüfung ab.
Vier neu ausgebildeten Teilnehmern überreichte Josef Schuster während des Festakts ihr Zertifikat. Karlheinz Müller, Theologe im Ruhestand, schult seit 2006 die ehrenamtlichen Museumsmitarbeiter und hat mit der Gemeindeleitung das Konzept der Dauerausstellung entwickelt.
Allein 250 Führungen im Jahr werden von Schulklassen gebucht. Diesen gehören immer mehr muslimische Mädchen und Jungen an.
Burkhard Hose, Pfarrer der Katholischen Studentengemeinde in Würzburg und Mitglied der örtlichen Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, die Partner der Israelitischen Kultusgemeinde ist, äußert den Wunsch, dass das Museum in Zukunft auch öfter eine Brücke zu den Muslimen in der Gesellschaft schlagen möge. »Warum sollten nicht eines Tages hier neben Juden, Christen und Konfessionslosen auch muslimische Freiwillige arbeiten?«
Erweiterung Als der Gemeinde Anfang der 90er-Jahre durch die wachsende Zuwanderung ihr altes Zentrum zu klein wurde, wusste der damalige langjährige Gemeindevorsitzende und Vater des heutigen Hausherrn, David Schuster, genau: Wenn wir neu bauen, dann müssen auch die Grabsteine einen würdigen Platz bekommen. Das neue Gebäude sollte allerdings nicht nur als Kultur- und Freizeitstätte entstehen, sondern an die eigene Tradition anknüpfen und ein lebendiges Zentrum jüdischer Orthodoxie werden. Dafür wollte man besonders auch die Jugend gewinnen und plante daher ein Begegnungszentrum für sie.