»Wie in einem Blumenladen sieht es bei mir derzeit aus. Sogar Unbekannte haben Blumen geschickt oder Mails geschrieben«, sagt Carola Melchert-Arlt, neue Schul- und Bildungsdezernentin sowie stellvertretende Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde.
»Koach!«, das Bündnis von Melchert-Arlt, besetzte bei der konstituierenden Sitzung der Repräsentantenversammlung (RV) in der vergangenen Woche mit seiner Zweidrittelmehrheit alle Posten mit eigenen Mitgliedern. Spitzenkandidat Gideon Joffe wurde sogar mit 17 von 21 Stimmen in den Vorstand gewählt, obwohl sein Bündnis nur über 14 Sitze verfügt. Der Vorstand entschied sich dann einstimmig für ihn als neuen Vorsitzenden. In der Versammlung gab es von etlichen Gemeindemitgliedern Applaus für Joffe, von anderen aber auch Buhrufe und Transparente mit Aufschriften wie »Austritt statt Koach!«
Staatsanwaltschaft RV-Mitglied Michael Joachim fragte vor der Vorstandswahl nach dem Stand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Joffe, der zuletzt Geschäftsführer der »Treberhilfe« war. Die Staatsanwaltschaft geht einem Anfangsverdacht nach und ermittelt gegen ihn wegen Insolvenzverschleppung.
Joachim, bisheriger RV-Vorsitzender, sagte, es sei eine Frage »moralischer Qualität« und des Anstands, vor diesem Hintergrund das Amt nicht anzutreten. Das wies Joffe jedoch mit dem Hinweis zurück, die Wähler hätten von den Vorängen gewusst und trotzdem mehrheitlich für ihn und »Koach!« gestimmt. »Damit erübrigt sich jegliche Diskussion«, so der 39-jährige Betriebswirt, der bereits von 2005 bis 2008 als Gemeindechef amtierte.
Neuer RV-Vorsitzender wurde Michael Rosenzweig. Sozialdezernentin und stellvertretende Vorstandsvorsitzende wurde Alexandra Babes. Boris Braun ist neuer Kultus- und Baudezernent. Leonid Golzmann ist für das Jugenddezernat, Jewgenij Gamal für Kultur, Milena Winter für Integration und Philipp-Eduard Siganur für die Sicherheit zuständig. Das Finanz- und Steuerressort hat Edward Datel übernommen.
Kontostand Der bisherige Finanzdezernent Jochen Palenker wies am Rande der RV-Sitzung nochmals auf die drängenden Probleme hin: Zwar sehe der Kontostand nicht so schlecht aus, weil unerwartet noch eine Summe von etwa 500.000 Euro verbucht werden konnte. Aber im Sommer werde die Kasse leer sein. 9,3 Millionen Euro zahle das Land pro Jahr. Aber nur gegen einen Sparplan gebe es die volle Höhe dieser Förderung. Das größte Problem seien überhöhte Betriebsrenten.
Natürlich gebe es einen Glückwunsch zu Joffes Wahl, sagt Torsten Wöhlert, Sprecher der zuständigen Senatskulturverwaltung. Ansonsten bleibe die Position des Senats dieselbe wie vor der Wahl: 4,5 Millionen Euro an zu viel gezahlten Zuschüssen müssen an das Land zurück gezahlt werden.
Die bisherige Vorsitzende Lala Süsskind kündigte an, sich die Arbeit der neuen Führung ein halbes Jahr anzuschauen, um dann gegebenenfalls aus der Gemeinde auszutreten. Solche Überlegungen gebe es bei vielen Gemeindemitgliedern, sagte sie.
Die neue stellvertretende Vorsitzende Carola Melchert-Arlt kündigte an, sie wolle sich nun für Transparenz einsetzen und hoffe auf ein Ende der Grabenkämpfe. »Jeder soll sich angenommen fühlen und es soll respektvoll miteinander umgegangen werden.«