Duisburg

Blindes Stadtfenster

Das geplante Multifunktions- und Geschäftszentrum »Stadtfenster« in der Duisburger Innenstadt sorgt weiter für Streit im Duisburger Stadtrat. Das Gebäude am Standort des ehemaligen Boecker-Hauses an der Steinschen Gasse/Ecke Münzstraße soll Ende 2013 fertiggestellt werden und neben Stadtbibliothek, Volkshochschule sowie Textilgeschäften auch ein NS-Dokumentationszentrum beherbergen. So war es jedenfalls an der langen Einkaufsstraße geplant. Allerdings fehlt das NS-Dokumentationszentrum. Es sollte ins »Stadtfenster« integriert und an die neue Zentralbibliothek angeschlossen werden.

Die Vertreter der rot-rot-grünen Mehrheit im Rat befanden jedoch im Dezember, dass im neuen Gebäude zu wenig Platz sei. Die Verwaltung soll nun in Vorbereitung auf die Ratssitzung im März andere mögliche Standorte für das Zentrum vorschlagen. Eine solche Alternative sei aber nicht zu finanzieren, kritisieren die Christdemokraten. Kein Platz, kein Geld – gar kein Dokumentationszentrum?

Die Chancen für die Einrichtung eines solchen Hauses in Duisburg seien keinesfalls gesunken, beeilt sich Herbert Mettler, Fraktionsvorsitzender der SPD im Rat, zu betonen. Oberbürgermeister Sören Link (SPD), der seit knapp sieben Monaten im Amt ist, werde nun andere Standorte vorschlagen. Schließlich sei es »erklärter politischer Wille, ein NS-Dokumentationszentrum zu errichten«, sagt Mettler. Eine Umsetzung des Projekts im »Stadtfenster« erschien ihm derzeit »äußert unrealistisch«.

Papiertiger 400 Quadratmeter Fläche hätte man dort veranschlagt. »Es war nur auf dem Papier ein Dokumentationszentrum«, kritisiert auch Udo Vohl, kulturpolitischer Sprecher der Duisburger SPD-Fraktion. In den Planungen für die Bibliothek habe man ein Karree ausgespart, in dem Bücherregale aufgestellt werden sollten. »Man hat weder eine Finanzierung gehabt, noch eine Idee, wie die Dokumentation inhaltlich betrieben werden soll«, erzählt Vohl. »Es wurde lediglich der Bibliothek Raum weggenommen, um Bücher auszustellen, vielleicht noch eine Vitrine dazu – das war nicht das, was wir uns als NS-Dokumentationszentrum vorgestellt haben. Die Chance, so etwas zu bekommen, die haben wir vertan«, ist Vohl überzeugt.

Und das ärgert den CDU-Fraktionsvorsitzenden im Rat der Stadt. »Wir hatten einen gültigen Ratsbeschluss, und der ist abgeändert worden«, verweist Rainer Enzweiler auf eine frühere Entscheidung des Gremiums. Lieber ein kleines NS-Dokumentationszentrum als gar keines, lautete der Standpunkt der CDU.

Da für das Projekt nun wieder ein neuer Standort gesucht werden muss, sei zu befürchten, »dass es gar nicht mehr kommen wird«, warnt Enzweiler. »Mehr Platz ist ja schön und gut, aber woher soll das Geld dafür kommen? Ich sehe nicht, wie das bei der Finanzmisere der Stadt passieren soll.« In einer Sitzung des Kulturausschusses im März 2012 wurden Zahlen genannt: 400.000 Euro an jährlichen Betriebskosten und einmalige Einrichtungskosten in Höhe von 500.000 Euro hätte die Stadt die kleine Lösung gekostet. Alternativen dazu könne sich Duisburg nicht leisten, glaubt CDU-Ratsherr Enzweiler.

Finanzen Das sieht man bei der SPD anders. »Wir werden bei der neuen Planung darauf achten müssen, dass es sich günstiger gestalten wird als vorher«, sagt Herbert Mettler. Und obwohl man weniger Geld ausgeben möchte, soll das Dokumentationszentrum sogar noch größer werden. Schließlich gebe es deutlich günstigere Standorte als das »Stadtfenster«, so Mettler. Auch die personelle Ausstattung des Hauses biete noch Sparpotenzial. Man müsse »den Personal-Pool bei der Stadt durchforsten, ob Mitarbeiter für das NS-Dokumentationszentrum infrage kommen«. Ende Januar steht die nächste Ratssitzung an, die erste des Jahres. In der wird die Verwaltung den neuen Haushalt der klammen Stadt einbringen.

Davon, wie sich das Haushaltssanierungskonzept in Duisburg entwickelt, macht Herbert Mettler den Fortgang der Planungen für das Projekt abhängig. Denn die Bezirksregierung in Düsseldorf muss den Etat genehmigen. »Die Finanzierung des Dokumentationszentrums wäre eine freiwillige Ausgabe. Also kann man sie nur realisieren, wenn man sich im Haushaltssanierungsplan bewegt.« Dieser Rahmen ist eng gesteckt, und so warnt Herbert Mettler dann doch noch vor zu hohen Erwartungen an das Zentrum: »Es wird vielleicht nicht dem Anspruch aller gerecht, aber wir werden mit Sicherheit eines haben.«

Wenige Hundert Meter vom Rohbau des »Stadtfensters« entfernt liegt die Jüdische Gemeinde Duisburg. Hier hat man eine deutliche Meinung zu den Vorgängen: »Das ganze NS-Dokumentationszentrum ist eine Farce«, fasst Geschäftsführer Michael Rubinstein seine Ansicht der Dinge in deutliche Worte. »Für alles andere in dieser Stadt findet man Geld und irgendeine Möglichkeit zur Realisierung. Da drängt sich der Eindruck auf, dass es für einige Parteien nicht die Rolle spielt, die es spielen sollte.«

Jüdische Gemeinde Die Gemeinde, erinnert sich Rubinstein, sollte in die Planungen des NS-Dokumentationszentrums involviert werden. Schließlich habe man einen Historiker im Haus, der zu diesem Kapitel der Duisburger Stadtgeschichte viel erarbeitet hätte. Bisher habe es vonseiten der Stadt allerdings nur Lippenbekenntnisse gegeben. »Das lässt mich schließen, dass man das Projekt nicht unbedingt weiter verfolgen will. Jedenfalls können wir das nicht feststellen«, sagt Rubinstein.

Durch eine Realisierung des Vorhabens an einem anderen Standort könne man vielleicht die Ausgaben senken, doch die Personalkosten blieben, bemerkt der Geschäftsführer der Gemeinde Duisburg-Mülheim/Ruhr-Oberhausen. Und an allen Ecken könne man nicht sparen, schließlich brauche man eine vernünftige Lösung. »Ein NS-Dokumentationszentrum muss einen Bildungsauftrag haben, danach muss man sich ausrichten. Entweder macht man es anständig oder gar nicht. Eine Alibi-Dokumentation braucht kein Mensch.«

Frankfurt

30 Jahre Egalitärer Minjan: Das Modell hat sich bewährt

Die liberale Synagogengemeinschaft lud zu einem Festakt ins Gemeindezentrum

von Eugen El  09.12.2024

Frankfurt/Main

»Mein Herz blutet«

In Israel herrsche »Balagan«, Chaos, sagt Chaim Sharvit. Er steht hier denen zur Seite, die zum ersten Jahrestag des 7. Oktober dunkle Gedanken haben. Ein Besuch in Deutschlands größtem jüdischen Altenheim in Frankfurt

von Leticia Witte  14.10.2024

Gedenkveranstaltung

Steinmeier: Wer überlebt hat, trägt schwer an der Last

Fünf Jahre nach dem rechtsextremen Anschlag besucht Bundespräsident Steinmeier die Tatorte.

 09.10.2024

Frankfurt

Graumann und Grünbaum zur Doppelspitze in der Frankfurter Gemeinde gewählt

Den Vorstand vervollständigen Rachel Heuberger, Daniel Korn und Boris Milgram

von Christine Schmitt  09.10.2024

Berlin

»Ein bewegender Moment«

Am Donnerstag fand in Berlin die feierliche Ordination von zwei Rabbinerinnen sowie sechs Kantorinnen und Kantoren statt. Doch auch der monatelange Streit um die liberale Rabbinatsausbildung in Deutschland lag in der Luft

von Ralf Balke  09.09.2024 Aktualisiert

Neue Potsdamer Synagoge

Am Freitag wird der erste Gottesdienst gefeiert

Nach der feierlichen Eröffnung im Juli soll nun das religiöse Leben in der Synagoge in Potsdam langsam in Gang kommen. Am Wochenende sind erste Gottesdienste geplant

 06.09.2024

IKG

»Ein großer Zusammenhalt«

Yeshaya Brysgal zieht nach einem Jahr als Jugendleiter eine positive Bilanz und plant für die Zukunft

von Leo Grudenberg  04.09.2024

Keren Hayesod

»Das wärmt mir das Herz«

Der Gesandte Rafi Heumann über seinen Abschied von Berlin, deutsche Spielplätze und treue Spender

von Christine Schmitt  04.09.2024

Porträt der Woche

Sinn ernten

Caro Laila Nissen half nach dem 7. Oktober Bauern in Kibbuzim nahe Gaza

von Lorenz Hartwig  01.09.2024