Es ist ein Buch, das keine Fragen beantworten, sondern stellen will. Fragen nach dem Woher eines Hauses. Und vor allem nach dem Wohin. Tausende von Bildern hat der Fotograf Thies Ibold von dem Haus im Hamburger Stadtteil Harvestehude, seiner Umgebung und den Menschen, die in ihm arbeiten, aufgenommen, analog und in Schwarz-Weiß. Einige Fotos kolorierte er nachträglich, Farbfotos entzog er die Farbe.
Kunsthistoriker Thies Ibold öffnet mit seinem Buch A Warburg Workbook ein Fenster zum legendären jüdischen Kunsthistoriker Aby Moritz Warburg, der am 13. Juni 1866 im Hamburger Grindelviertel geboren und am 26. Oktober 1929 ebenfalls in Hamburg starb. Sich selbst charakterisierte Warburg mit den Worten: »Jude von Geburt, Hamburger im Herzen, im Geiste Florentiner.«
Die Hansestadt hat Aby Warburg nicht nur das Warburg-Haus in der Heilwigstraße zu verdanken, sondern auch den Aufbau der Warburg-Bibliothek für Kulturwissenschaft, das Planetarium im Stadtpark – und das Mitwirken am Aufbau der Hamburger Universität vor 100 Jahren, zu deren Professor der Hamburger Senat ihn berief. Seine »Bildersammlung zur Geschichte von Sternglaube und Sternkunde im Hamburger Planetarium« wurde 1930 eröffnet.
Mit seinem Buch schuf Thies Ibold einen Atlas über die Architektur des Warburg-Hauses.
Mit seinem Buch schuf Thies Ibold einen Atlas über die Architektur des Warburg-Hauses. Der Fotograf ist derart von Leben, Werk und dem Haus Aby Warburgs fasziniert, dass er das komplette, großformatige Buch »aus Enthusiasmus selbst finanziert« hat. Seine Mitautoren verzichteten auf ein Honorar.
Forschung Einer von ihnen ist der Kunsthistoriker Martin Warnke, der einen Tag vor Erscheinen des Buches im Alter von 82 Jahren starb. »Ich konnte ihm das Buch noch zeigen, ohne ihn wäre es nie entstanden«, sagt Thies Ibold mit Trauer. Martin Warnke hatte das Warburg-Haus wieder als Forschungsstelle der Hamburger Universität eingerichtet und lange geleitet.
Mitautorin ist auch Karen Michels. Die promovierte Kunsthistorikerin führte Thies Ibold zum Planetarium, zum ethnografischen »Museum am Rothenbaum. Kulturen und Künste der Welt« (MARKK), zum Bismarck-Denkmal und zur Hapag-Lloyd-Reederei des Warburg-Freundes Max Ballin.
Eine weitere Mitautorin ist die Urenkelin Anna Warburgs, Hila Laviv aus Tel Aviv. Anna Warburg hatte bis zu ihrer Emigration 1939 nach Schweden auf dem Familiensitz »Weißes Haus« auf dem Kösterberg gelebt und dort vom NS-Regime bedrängten jüdischen Familien eine Bleibe gegeben.
Detailaufnahmen Seit zwölf Jahren begleitet Thies Ibold das Warburg-Haus-Team und Veranstaltungen in dem Haus mit der Kamera. Auslöser war der 150. Geburtstag Aby Warburgs. Er konzentrierte sich immer wieder auf Detailaufnahmen von Ornamenten, Schränken, Türen, Lampen, Sichtachsen und der Umgebung des Hauses.
Faszinierend konzipiert ist die durchgehende Lichtgestaltung von einem tiefen Schwarz zu Beginn des Buches mit der schemenhaften Kuppel der Bibliothek, die er auf der folgenden Seite ins Licht kehrt, bis zur Planetenlaufbahn im Naturtheater auf dem Kösterberg, Warburgs letztem Wohnsitz, dessen Ellipsen-Ornamente Ibold im Detail aufnimmt und immer heller werden lässt – als Weg in die Zukunft.
»A Warburg Workbook«. Herausgegeben von Thies Ibold, deutsch-englisch, Fotos und Texte. Edition Thies Ibold, Hamburg 2019, 170 S., 34,90 €