Am 23. Oktober hat das Nürnberger Amtsgericht Eli S. zu 21 Monaten Haft auf Bewährung und den Rabbiner R. zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Beide hatten ein Geständnis abgelegt. Die Aufmerksamkeit galt vor allem dem Rabbiner und der Frage, warum er sich am Diebstahl des Toraschmucks aus der Synagoge der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) in Nürnberg beteiligte.
Der materielle Wert der gestohlenen Gegenstände liegt bei genau 10.900 Euro. Das hat in der vergangenen Woche das Nürnberger Amtsgericht in einem öffentlichen Prozess festgestellt. Der ideelle Wert der Gegenstände ist für die IKG nicht in Zahlen zu ermessen. So hat es in der Verhandlung der Vorsitzende der Nürnberger Gemeinde Jo-Achim Hamburger formuliert, der als Zeuge vorgeladen war. Welchen Wert diese Gegenstände haben, sowohl materiell als auch ideell, weiß auch R. (46) als ehemaliger Gemeinderabbiner genau.
Überwachungskameras Als Hauptbeschuldigter stand jedoch Eli S. (74) vor Gericht, ein in Israel lebender Rentner, der in den 80er-Jahren in verschiedenen deutschen Gemeinden in der Jugendarbeit tätig war. Er war es, der sich unter dem Vorwand, beten und innere Ruhe finden zu wollen, Zutritt zur Synagoge verschaffte und dort den Toraschmuck stahl. Fotos einer Überwachungskamera zeigen ihn, wie er mit einer prall gefüllten Reisetasche die Synagoge verließ. Er selbst ist auf den Aufnahmen klar zu erkennen und konnte von Gemeindemitgliedern identifiziert werden.
Vor Gericht schilderte Hamburger, dass von der Nürnberger Gemeinde telefonisch Kontakt zu dem Dieb hergestellt werden konnte. Er befand sich bereits in Jerusalem, konnte jedoch überzeugt werden, mit den gestohlenen Gegenständen nach Nürnberg zurückzukehren. Als er drei Tage später landete und das Diebesgut aushändigte, wurde er von der Polizei noch im Flughafen festgenommen und kam Ende Dezember vergangenen Jahres in Untersuchungshaft, wo er drei Wochen einsaß.
Beihilfe Mit seiner Festnahme kam auch die Rolle des Rabbiners R. ans Tageslicht. Dieser hatte den Dieb nach der Tat mit dem Auto von Nürnberg nach München und zum Flughafen gefahren. Im Prozess musste er nach anfänglichem Zögern zugeben, dass er sehr wohl von dem Diebesgut wusste, das er in seinem Auto transportierte. Ein »Freundschaftsdienst« sei es gewesen, erklärte er dem Gericht.
Die Folgen dieses »Freundschaftsdienstes« waren jedoch gravierend. Auch der Rabbiner musste zunächst eine Untersuchungshaft verbüßen, kam jedoch nach zwei Tagen wieder auf freien Fuß. Das eingeleitete Strafverfahren für seine Beihilfe war dennoch nicht mehr zu stoppen. Dadurch verlor er auch sein Rabbineramt und ist seitdem arbeitslos.
Zu seiner Arbeitslosigkeit kommt für den Familienvater nun auch noch eine saftige Geldstrafe des Gerichts von 2700 Euro hinzu. Der Hauptakteur des »Coups« kam weniger ungeschoren davon. Ein Jahr und neun Monate Gefängnis verhängte das Gericht gegen ihn, setzte die Strafe aber zur Bewährung aus.
REue Mit einem »blauen Auge« kamen beide nur deshalb davon, weil sich die Gegenstände wieder an ihrem angestammten Platz befinden und kein materieller Schaden entstanden ist. Der Vorsitzende der IKG Nürnberg machte in der Verhandlung aber sehr deutlich, wie tief die Gemeindemitglieder durch den Diebstahl verletzt wurden. »Alle waren entsetzt«, beschrieb er die Stimmung in der Gemeinde nach der Tat.
Hamburger bewies im Prozess jedoch auch menschliche Größe. Ob er ihm verzeihen könne, wollte der 74-jährige Dieb Eli S. von ihm wissen. Hamburger brauchte einige Zeit zum Überlegen, dann sagte er: »Ich persönlich kann Ihnen verzeihen. Aber ich kann nicht für alle 2500 Gemeindemitglieder sprechen.«
Korrektur
In der ursprünglichen Berichterstattung war vom Diebstahl einer Torarolle die Rede. Allerdings wurde keine Sefer Tora entwendet, sondern verschiedene Teile des Toraschmucks. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen. Der Text wurde entsprechend geändert.
Weiterhin ist im Text Rabbiner R. erwähnt. Weitere Formulierungen und der daraus entstehende Gesamtzusammenhang könnten dabei zur falschen Annahme verleiten, dass damit der seinerzeit amtierende Nürnberger Gemeinderabbiner Shimon Grossberg gemeint sein könnte. Wir betonen ausdrücklich, dass dies nicht der Fall ist. Rabbiner Grossberg steht in keiner Weise mit der Tat in Verbindung. Auch für entsprechende Missverständnisse in diesem Zusammenhang bitten wir um Entschuldigung.