Das hätte 1999 wohl kaum ein Beter für möglich gehalten: Die Synagogengemeinde Sukkat Schalom konnte jetzt das 20. Jubiläum ihrer Neugründung feiern. Und zwar ausgerechnet in den Herbstferien, sodass viele Berliner Politiker, Botschafter und Familien verreist waren und nur ihre Grüße ausrichten lassen konnten. Doch andere feierten und blickten stolz zurück. Etliche Beter der ersten Stunde, wie Albert Meyer und Hanan Bracksmajer, waren beim Gottesdienst und der anschließenden Feier gut gelaunt dabei. Jael Botsch-Fitterling, Vorsitzende des Trägervereins, zündete die Kerzen an.
Die Synagoge am Hüttenweg war vor zwei Jahrzehnten wiederbelebt worden. Ihre Tradition hatten die alliierten Streitkräfte eingeführt. Von 1945 bis 1994 gab es das Chaplain Center (letzter Standort: Hüttenweg), wo für die Angehörigen der US-Streitkräfte Gottesdienste für verschiedene Religionen abgehalten wurden, sagte Rabbiner Andreas Nachama in seiner Ansprache. Und so teilte man sich mit Katholiken und Protestanten ein Haus.
Dort amtierten Oberkantor Estrongo Nachama, Rabbiner Nathan Peter Levinson und Louis Fischer. 1994 fand dort der vorerst letzte jüdische Gottesdienst statt – danach versank der Gebetsort für die jüdischen Beter in einen »Dornröschenschlaf«. Damals rettete Andreas Nachama zwei Pulte und weitere Utensilien vor dem Müllcontainer und stellte sie im Centrum Judaicum unter, bis sie Jahre später wieder in den Hüttenweg gebracht wurden und nun in der Synagoge Herbartstraße stehen.
VORBETER Albert Meyer, ehemaliger Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, der später an diesem Tag zusammen mit Hanan Bracksmajer (Mitgliedsnummer 001) zur Tora aufgerufen wird, hat zwei Jahre lang die Kidduschim finanziert und etliche Briefe über seine Kanzlei verschicken lassen. Außerdem hat er einen Leuchter zusammengelötet. Estrongo Nachama amtierte ehrenamtlich beim Gottesdienst, später waren Kantorin Avitall Gerstetter und auch Alexander Nachama im Einsatz, so der Rabbiner. Anschließend übernahmen Noga Hartmann, heutige Schulleiterin der Lichtigfeld-Schule in Frankfurt, und Esther Hirsch kantorale Aufgaben. Letztere ist seit 15 Jahren mit von der Partie und hat die Jugend- und Kinderarbeit übernommen. Dan Moses, Ehrenvorsitzender, stiftete zwei von fünf Torarollen.
Damals rettete Andreas Nachama zwei Pulte und weitere Utensilien vor dem Müllcontainer.
Doch die Räume am Hüttenweg wurden mit der Zeit zu klein, und es störte die Beter, dass sie immer die Stühle für den Gottesdienst auf- und abbauen mussten. Als der Mietvertrag nicht verlängert wurde, konnte die Gemeinde 2013 in die Synagoge Herbartstraße ziehen. »Wir sind reich«, führte der Vorsitzende Liam Rickertsen aus. Ihr Rabbiner lehre die Gemeinde, die Tora zu lesen, und lasse sie an seinen Lebensweisheiten teilhaben. Ihm sei es zu verdanken, dass die Gottesdienste am Ort des Chaplain Center im Jahre 1999 wiederbelebt wurden.
Die Synagogengemeinde ist nicht nur Mitglied in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, sondern auch in der Union Progressiver Juden in Deutschland. »Wir sind zufrieden und stolz auf das, was wir erreicht haben, und werden diesen Weg weitergehen«, sagte Rickertsen. Dankbar seien sie auch für die Unterstützung der Jüdischen Gemeinde.
TRADITION Deren Vorsitzender Gideon Joffe betonte in seiner Ansprache, dass es innerhalb der Einheitsgemeinde viele Facetten gebe. »Ich mag jede«, hob der Gemeindechef hervor. Auch sei er stolz auf die Gemeinde, weil Sukkat Schalom so lange existiert. »Sie machen viele Menschen glücklich.« Er hoffe, dass die Synagoge lange am derzeitigen Ort bleibe, denn er wisse ja, dass es Pläne für ein eigenes Haus gebe. Es habe ihn bewegt, wie liebevoll Andreas Nachama den Gottesdienst geleitet habe, und er habe sich vorgenommen, häufiger zu kommen.
2002 wurde der Trägerverein unter dem Namen Synagogengemeinde Berlin Sukkat Schalom e. V. gegründet. Seit 2008 ist das Gotteshaus institutionelle Synagoge der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Sie steht in der Tradition der 1855 gegründeten Reformsynagoge in der Johannisstraße, die 1939 von den Nazis geschlossen wurde. Die Gottesdienste werden nach reform-egalitärem Ritus abgehalten. Heute hat die Gemeinde nach Angaben von Liam Rickertsen fast 200 jüdische Mitglieder und zahlreiche Fördermitglieder.