Es geht um ihre Zukunft. Aufmerksam hören die Zehntklässler in der Synagoge des Jüdischen Krankenhauses zu. Ein Arzt, die stellvertretenden Pflegedirektorin, eine Krankengymnastin, ein Pressesprecher und ein Qualitätsmanager berichten von ihrem Berufsalltag im Jüdischen Krankenhaus und geben Antworten auf die Fragen der Schüler.
Diese sind hartnäckig: »Ist Ihnen schon einmal ein Patient verstorben? Wie viel verdienen Sie als Arzt brutto? Wie schaffen Sie es, sich immer wieder zu motivieren? Geben Sie Medikamente? Haben Sie schon einmal einen Herzkatheter legen müssen?«
Er motiviere sich über das Team, sagt Andreas Reisinger, Arzt der Inneren Station. Er musste aber lernen, dass Mediziner nicht immer heilen können und manchmal auch einfach Begleiter sind, dass er oft an seine Grenzen komme, wenn es ums Sterben geht. Medikamente verteile er und habe auch schon mehrere Herzkatheter gelegt. Nur die Frage nach seinem Gehalt beantwortet er nicht, stattdessen verweist er auf den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes, in dessen Tabelle jeder nachschauen könne.
Kooperation Die Informationsveranstaltung ist der Auftakt eines neuen Bildungsprogrammes, das der Jüdische Nationalfonds KKL und die Jüdische Gemeinde zu Berlin gemeinsam anbieten. Neben dem Besuch im Jüdischen Krankenhaus sollen die Schüler der zehnten Klasse der Jüdischen Oberschule auch das Landgericht Mitte kennenlernen, ein Hotel, den Axel-Springer-Verlag und den Rundfunk Berlin-Brandenburg. »Oft erlernt man einen Beruf oder macht ein Studium ohne Visionen«, sagt Marina Birow, die für den KKL das Programm ins Leben gerufen hat.
Damit die Schüler eine gute Vorstellung bekommen, wollte sie sie »zu einer kleinen Reise durchs Berufsuniversum« einladen. Marina Birow hatte bei mehreren Einrichtungen gefragt, ob sie für zwei Stunden Mitarbeiter zur Verfügung stellen würden, damit diese »einen ehrlichen Einblick in ihre Aufgaben« geben. Für die sei es ein geringer Aufwand, aber für die Schüler könnte es entscheidend sein. Gleichzeitig fragte sie bei der Jüdischen Oberschule, ob Interesse bestehe. Und das war der Fall.
Seit Januar ist die Juristin Marina Birow, Mutter von zwei Kindern, in Berlin und möchte beim KKL die Jugend- und Erziehungsarbeit aufbauen. Der Jüdische Nationalfonds fördert zwar in erster Linie Baumpflanzungs- und Umweltprojekte in Israel. Aber auch der Bildungsbereich sei wichtig, betont Birow.
Die Gemeinde ist mit von der Partie, da sie den Schülern die Möglichkeit geben möchte, »das Leben zu führen, das sich jeder wünscht« und die Jugendlichen mit Kontakten unterstützen möchte, wie es im Konzept heißt. Wenn es gut angenommen wird, dann soll es eine Wiederholung für die nächsten Klassen geben.
Karriere »In eurem Alter habe ich nicht gewusst, welchen Beruf ich einmal ergreifen könnte«, sagt Brigitte Selig, stellvertretende Direktorin der Pflege. Sie hätte keine besondere Begabung gehabt, wollte nur etwas Sinnvolles tun.
Als sie später ihr Examen bestanden hatte, war sie zufrieden und hätte es nicht für möglich gehalten, dass sie einmal Chefin der Pflege werden würde. Alexander Bartkowski hingegen wollte nach einigen Jahren etwas anderes machen – aber in dem Krankenhaus bleiben. Er war erst Pfleger, tauschte dann das »Bett gegen den Schreibtisch«, bildete sich fort und ist nun Qualitätsmanager im Krankenhaus.
Sean kennt sich schon aus im Krankenhaus, denn der 15-Jährige hatte das Schulpraktikum in der neunten Klasse an der Seite eines Assistenzarztes gemacht. Aber er habe diesmal noch viel Neues erfahren. Überrascht waren er und seine Mitschüler von den vielen unterschiedlichen Berufen in einem Krankenhaus und den Möglichkeiten, sich nach einer Ausbildung auch noch weiter zu qualifizieren.
Sigits ist sich schon seit Längerem sicher, dass er Medizin studieren will. Daher fand er den Blick hinter die Kulissen des Jüdischen Krankenhauses besonders interessant: »Diese zwei Stunden waren für mich sehr informativ«, sagt der 16-Jährige.