Im NS-Dokumentationszentrum in der Brienner Straße war jüngst Zvi Aviram aus Raanana zu Gast. Das Leben des erstaunlich agilen 90-Jährigen hat sehr viel mit zwei deutschen Städten zu tun, eine davon ist München, die andere Berlin.
Aviram kam am 23. Januar 1927 als Heinz Abrahamsohn in Berlin zur Welt und stammte beiderseits aus Arbeiterfamilien. Der Vater Artur wuchs im Scheunenviertel auf, der jüngere Bruder der Mutter war Kommunist und mischte – öfter, als der Familie lieb war – bei Scharmützeln gegen Nazis mit. Im Ersten Weltkrieg gedient hatten sowohl der Großvater Ludwig Jacobsohn als auch der Vater Artur Abrahamsohn, »der sich ebenfalls als Deutscher mosaischen Glaubens fühlte«, wie Aviram in seinen Erinnerungen schreibt. »Auch er war stolz auf sein Vaterland und dankbar, dass er in Deutschland als freier Bürger mehr oder weniger unbehelligt leben konnte.«
Erinnerungen Für seine Heimat einzustehen, seinen Kameraden treu zu sein, handwerklich zu arbeiten, sind Konstanten im Leben von Zvi Aviram geworden – und geblieben. Der Titel seiner Erinnerungen fasst seine Kindheit und Pubertät klar zusammen: Mit dem Mut der Verzweiflung. Mein Widerstand im Berliner Untergrund 1943–1945.
Abrahamsohn, der erst anlässlich seiner Heirat 1968 seinen Namen in Aviram änderte, hat einige Daten unauslöschlich im Gedächtnis: den 1. April 1933, an dem SA-Männer vor dem elterlichen Schuhmacherladen standen, »gleichzeitig saßen wir, meine kleine Schwester und ich, den ganzen Tag zitternd vor Angst in der hintersten Ecke der Wohnung«, wie er schreibt; und den 27. Februar 1943, an dem seine Eltern deportiert wurden.
Beate Kosmala und Patrick Siegele, die Avirams Memoiren 2015 im Metropol-Verlag herausgaben, verbindet inzwischen eine innige Freundschaft mit dem Zeitzeugen. Siegele war bei der Vorarbeit für das Ausstellungsprojekt Anne Frank im Versteck vor 13 Jahren auf der Suche nach anderen versteckten jüdischen Kindern und Jugendlichen gewesen und so auf Zvi Aviram und seine Geschichte gestoßen. Sie ist dramatisch, wie ein Verfolgungsschicksal nur sein kann, voll glücklicher Fügungen, aber auch Haltung bis in Gestapo-Verhöre hinein. Zur Überlebenskunst trugen Fälscherqualitäten, Freundschaften und der Idealismus stiller Helfer bei.
Schicksal Der Schauspieler Nicholas Reinke trug Passagen vor, die an Spannung jeden Thriller in den Schatten stellen. Beate Kosmala sprach mit Aviram über »die schönsten Jahre meines jungen Lebens«, wie Aviram sich erinnert. Denn das Schicksal führte den 18-Jährigen für zwei Jahre nach München, wo er von 1945 bis 1948 für die Jewish Agency for Palestine tätig war. Vom sechsten bis zum 18. Lebensjahr habe sein Alltag aus Verfolgung, Verlust jeder Lebensfreude und dem Kampf ums nackte Überleben bestanden.
Nun verschaffte es Aviram-Abrahamsohn (diesen Namen reaktivierte die Familie inzwischen in Israel) Genugtuung, anderen DPs zu helfen. Er lernte die Unterkünfte im Deutschen Museum und in St. Ottilien kennen und arbeitete in der Möhlstraße für die Auswanderungswilligen, bis zur eigenen Alija im Januar 1948.