Im Namen des Vorstands und der Mitglieder der Israelitischen Kultusgemeinde hieß Präsidentin Charlotte Knobloch am vorigen Donnerstag Hubert Aiwanger im Gemeindezentrum willkommen. Nach FDP und Bündnis 90/Die Grünen hatten mit ihm nun die Freien Wähler (FW) die Möglichkeit, ihre politischen Ideen in einer von Aaron Buck moderierten Gesprächsrunde vorzustellen.
Zunächst stellte Knobloch den Gemeindemitgliedern sowie den Vertretern der jüdischen und israelischen Einrichtungen Hubert Aiwanger näher vor: Geboren 1971 in Ergoldsbach absolvierte er in Weihenstephan ein Studium zum Diplomingenieur der Landwirtschaft und führt heute einen Hof im Landkreis Landshut. Der Bundesvorsitzende der FW ist auch deren Landesvorsitzender in Bayern sowie Fraktionsvorsitzender im Landtag, dem er seit dem Jahr 2008 angehört. Er ist zudem Kreis- und Stadtrat sowie Vorsitzender der Kreisgruppe Rottenburg/Laaber des Bayerischen Jagdschutz-Verbandes.
Partei Der Besuch des Politikers, erklärte Knobloch, erlaube den Anwesenden, einen Ausblick auf künftige Vorhaben, Projekte und Visionen der FW aus erster Hand zu gewinnen. Denn mitunter herrsche der Eindruck vor, dass die Unterschiede zwischen den demokratischen Parteien nur marginal seien. Gleichzeitig »wollen wir heute auch diskutieren – über die aktuelle Situation unserer Gemeinde, unsere Sorgen und Anliegen«, so Knobloch.
Naturgemäß nehme dabei das Thema Rechtsextremismus für jüdische Bürger eine zentrale Rolle ein. »Insofern interessiert uns etwa die Frage, wie Sie und Ihre Partei einem NPD-Verbot gegenüberstehen.«
Bevor Aiwanger antwortete, erläuterte er die grundlegende Struktur der FW als Partei, die größtenteils aus kommunalen Gruppierungen entstanden sei. Fast jeder dritte Bürgermeister in Bayern gehöre inzwischen den FW an, unterstrich der Politiker. Was nun die Rechtsextremen betreffe, so stufe er ein Verbot der NPD als schwierig ein – und erzählte von eigenen Erfahrungen mit ihren Anhängern. Bei Veranstaltungen der FW hätten sich immer wieder Rechtsextreme unter die Besucher gemischt, Aussagen für sich reklamiert und derart gestört, das das FW-Treffen abgebrochen werden musste. Hier könne nur eine Änderung des Versammlungsrechtes helfen, meinte Aiwanger.
Dieser Auffassung schloss sich eine hitzige Debatte an, in der insbesondere Marian Offman, CSU-Stadtrat und Mitglied des IKG-Vorstands, das grundlegende demokratische Recht der Versammlungsfreiheit betonte. Rasch wurde dann auch über das Problem der Vereinbarkeit von Freiheit und Sicherheit diskutiert – eine auch für die Kultusgemeinde schwierige Frage, die gerade in Zeiten der »Snowden-Affäre« debattiert wird, ebenso wie über Geheimdienste und Datenschutz.
Terrorismus »Meine Biografie hat mich zu einer leidenschaftlichen Verfechterin persönlicher Freiheit und liberaler Demokratie gemacht. Freiheitsrechte, Datenschutz und informationelle Selbstdarstellung sind unwidersprochen hochrangig und schützenswert«, betonte Charlotte Knobloch. »Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist für uns jedoch ebenfalls ein existenzielles Thema. Wir wissen um die reale Bedrohung. Deswegen ist mir durchaus bewusst, dass der Schutz der Menschen mit Einschränkungen jener Rechte einhergehen muss – freilich im Rahmen des Grundgesetzes.« Die Patentlösung hatte hier keiner der Anwesenden, zumal deutlich wurde, dass das Ausspähen des Internets nicht allein durch Geheimdienste erfolge.
Konkreter wurde die Diskussion dagegen bei erziehungspolitischen Fragen. Wie ist es zum Beispiel im Erziehungsbereich bestellt? Die Leiterin des Kindergartens der IKG, Romana Alfred, beklagte die Situation bei der vorschulischen Erziehung ebenso wie den Mangel an Erzieherinnen.
Nicht immer seien Krippe und Kindergarten die bessere Lösung, sagte Aiwanger. Allerdings poche er entschieden auf ein verpflichtendes Vorschuljahr. Durch dieses könne ein entscheidender Beitrag zur Integration der Kinder und ihrer Familien geleistet werden. Zur Frage des Problems mangelnder Erzieher schlug Aiwanger den Bogen zu sozialen Berufen im Allgemeinen. Eine Lösung im Erziehungsbereich ebenso wie bei pflegenden Berufen sieht er vor allem in einer angemessenen Bezahlung.
Ein weiteres Thema, das die Zuhörer bewegte, war die Frage, wie sich sicherstellen lässt, dass Wohnen in München für alle Einkommensgruppen erschwinglich bleibt. Für Aiwanger ist hier die Stärkung der Attraktivität des ländlichen Raums die Lösung, um den verstärkten Zuzug in die Landeshauptstadt abzubremsen.
Währung Im Zentrum der Diskussion stand im Laufe des Abends auch immer wieder der Euro. Im Gespräch nutzte Aiwanger die Chance, die umstrittene FW-Position zu diesem Thema zu erläutern. So setze man sich für eine duale Währung ein, jedoch ganz bewusst, ohne die »europäische Idee zu verraten und einer antieuropäischen nationalen Rückbesinnung das Wort zu reden«, erläuterte Aiwanger.
Dieses Bekenntnis zu Europa, die Verwurzelung im Grundgesetz, die Stärkung des ländlichen Raums und ein Ja zur Schulreform G9 sowie ein Nein zur dritten Startbahn waren klare Statements Aiwangers für die künftige Politik der FW. Fragen zu einer Koalitionsaussage begegnete er indes mit einer klaren Absage: Er stehe für die Inhalte seiner Politik, müsse sich aber die Freiheit behalten, nach der Wahl zu entscheiden, in welcher Konstellation die FW diese am besten umsetzen könnten.
Nach vielen und hartnäckigen Diskussionen dankte Charlotte Knobloch dem Gast für sein Kommen und seine Ausführungen – und wünschte ihm Erfolg auf seinem weiteren politischen Weg.