Susann Ruhnau ist sichtlich berührt. Gerade hat die Englischlehrerin zwei ehemalige Schüler wiedergetroffen, die zu einem der ersten Jahrgänge an der im August 1986 eröffneten jüdischen Grundschule gehörten. Mittlerweile haben »ihre Kinder« selbst Kinder.
Eine der früheren Heinz-Galinski-Schülerinnen ist Louisa Rietdorf. Zusammen mit ihrer Schwester Marlene besuchte sie ab 1987 die zweite Klasse der ersten jüdischen Grundschule nach dem Zweiten Weltkrieg, damals noch in der Bleibtreustraße. Die erste Klasse war seinerzeit in einer ehemaligen Sonderschule eingerichtet worden.
Insgesamt startete die Schule, die mit jüdischer Erziehung an die Tradition der Vorkriegsgemeinde anknüpfen wollte, mit zwei ersten und zwei zweiten Klassen zu je 25 Kindern. Heute sind es 330 Schüler, die den sonnenblumenförmigen Neubau des israelischen Architekten Zvi Hecker in der Charlottenburger Waldschulallee besuchen.
bunt Susann Ruhnau und Louisa Rietdorf setzen sich an einen der blau-weiß geschmückten Tische zwischen Bühne, Arche Noah und Fußballplatz. Bereits zu Beginn des Festes gegen 11 Uhr ist der Andrang auf dem Schulhof groß – Eltern schieben Kinderwagen zwischen Kuchenbuffet und Cocktailstand in Richtung Bühne, unter schattigen Bäumen applaudieren Großeltern ihren Enkeln, die gerade die Hatikwa singen, neben der Bühne stimmt Musiklehrer Igor Ginzburg das Schulorchester auf den nächsten Auftritt ein.
Die Lehrerin und ihre ehemalige Schülerin sprechen über alte Zeiten, während die Kinder herumtollen und sich zwischendurch neue Gutscheine für Kuchen, Falafel und kühle Getränke abholen. Als sich Louisa Rietdorf umblickt, hat sie Tränen in den Augen. »Dass sich die Heinz-Galinski-Schule einmal so entwickeln würde, war damals noch nicht abzusehen«, sagt die 36-Jährige.
Damals sei alles viel kleiner gewesen – es gab keine richtige Aula, zum Sport musste man in die Nachbarturnhalle gehen. »Ich kannte meine ganze Schulzeit über jeden Einzelnen beim Namen – Lehrer, Erzieher, Schüler, selbst die Polizisten, alle«, erinnert sich Rietdorf.
In den ersten Jahren habe noch immer ein Hauch von Provisorium über der Schule gelegen. Sie lässt den Blick über das weitläufige Gelände schweifen. Die Heinz-Galinski-Schule sei »so bunt geworden – eine richtige Schule eben«. Ihre Stimme klingt wehmütig und glücklich zugleich.
herzblut Rietdorfs Englischlehrerin Susann Ruhnau gehörte vor 30 Jahren zu den Lehrern der ersten Stunde. »Aufregend« sei die Gründung damals gewesen und »ein großer, wichtiger Schritt nach der Schoa«.
Insbesondere der damalige Gemeindevorsitzende und spätere Namensgeber Heinz Galinski habe sich für eine jüdische Grundschule stark gemacht. Ruhnau sei »sehr stolz«, zu sehen, wie enorm die Schüleranzahl seit 1986 gewachsen ist und wie selbstverständlich sich die vielen Kinder auf »ihrem Schulgelände« bewegen.
Selbstverständlich sei es damals noch nicht gewesen, sein Kind auf die jüdische Schule zu schicken, erinnert sich Louisa Rietdorf. Auch ihre Eltern hätten Bedenken gehabt. Heinz Galinski habe viel Überzeugungsarbeit leisten müssen.
Viele Eltern hätten es anfangs als »ein Riesenprojekt« empfunden, auch ihr Vater, der dann aber bewusst »aktive Gründungsarbeit« geleistet habe. Vor allem Heinz Galinski habe »sehr viel Herzblut« in das Projekt gesteckt. »Es war total behütet und trotzdem ganz frei«, beschreibt Louisa Rietdorf ihre Schulzeit. Sie sei »sehr dankbar« dafür.
engagement »330 Schüler zum 30-jährigen Jubiläum – diese Zahl zeigt: Unsere Schule wird langsam zu klein«, sagt Gideon Joffe, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, als er das Sommerfest eröffnet. Deshalb setze sich der Gemeindevorstand »mit aller Kraft und Unterstützung von Lehrern und Eltern dafür ein, weiter zu expandieren – ob auf dem wunderbaren Gelände der Heinz-Galinski-Schule oder an anderer Stelle«, werde man sehen, so Joffe.
Fest stehe, die Schule müsse wachsen, denn »wir wollen alle jüdischen Kinder hier unterrichten und unter unsere Fittiche nehmen«. Die wunderbare, angenehme Schulgemeinschaft sei ein Glück für die Gemeinde.
Sie sei zwar erst seit ein paar Jahren dabei, sagt Elternvertreterin Sarah Serebrinski, aber sie könne sich die Aufbruchsstimmung von damals lebhaft vorstellen. Heute genieße die jüdische Grundschule einen hervorragenden Ruf, diese Entwicklung sei auffällig, meint die Mutter zweier Kinder, besonders wegen des neuen trilingualen Sprachkonzepts und des Hebräischunterrichts für Muttersprachler – das sei eine einschneidende Veränderung gewesen. Die meisten Eltern seien »sehr zufrieden«; so wie sie würden sich mittlerweile viele gern engagieren.
Louisa Rietdorf hat sich inzwischen in Richtung Schulgebäude verabschiedet. Sie will sich die offizielle Führung durch die Klassenzimmer nicht entgehen lassen.