Fröhlich lachend und singend tanzen die Männer mit den schweren Torarollen auf dem Arm durch die Synagoge in der Karlsruher Nordstadt. Die Gemeindemitglieder und ihre Gäste feiern die Einbringung ihrer neuen Sefer Tora. Sieben Schriftrollen befinden sich derzeit in der Knielinger Allee, von denen jedoch nur drei koscher und damit benutzbar sind.
Immer wieder berühren die Gläubigen vorsichtig, aber freudestrahlend das neue Exemplar, das Gemeinderabbiner Zeev-Wolf Rubins eigenhändig in Jerusalem abgeholt hat. Mehrfach sei er auf seiner Reise von Passanten und Flugbegleitern gefragt worden, warum er denn eine Torarolle aus Israel ausführe, so Rubins. Geantwortet habe er mit Worten des Propheten Jesaja: »Denn aus Zion geht die Tora hinaus und aus Jerusalem das Wort des Ewigen.« Gleich habe es keine Fragen mehr gegeben, berichtet der Rabbiner.
Allen sei klar geworden, dass da ein tieferer metaphysischer Sinn verborgen sei. Er habe dabei jedoch durchaus auch den praktischen gemeint: »Unsere Gemeinde hat eine Torarolle erworben, die aus Jerusalem stammt.« Aus Zion, aus der Heiligen Stadt. Damit sei die Prophezeiung Jesajas in der Karlsruher Gemeinde in Erfüllung gegangen.
SpendeN Deren Mitglieder taten viel dafür: Vor einem Jahr wurden sie aufgerufen, für die neue Schriftrolle zu spenden. Viele kamen dem nach, wie der Vorsitzende der Gemeinde, David Seldner, versichert. Den Rest habe dann die Gemeinde dazugegeben. »So können wir wahrhaftig sagen, dass es unsere Rolle ist«, sagt Seldner.
Dies habe Symbolcharakter. Eine Tora zeige, »dass es jüdisches Leben gibt, dass die Gemeinde lebt«. Sie sei so etwas wie das Herz in der Gemeinde, betont Seldner bei dem Festakt, an dem auch zahlreiche Rabbiner umliegender Gemeinden teilnehmen.
Gekommen sind zudem etliche Stadträte und Landtagsabgeordnete, der katholische Dekan Hubert Streckert sowie Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup – er erweist der Gemeinde damit nach noch nicht einmal 100 Tagen im Amt die Ehre – und sein Vorgänger Heinz Fenrich. »Ich freue mich über Ihre Anwesenheit, die viel aussagt über unsere Position in Karlsruhe«, so Seldner.
»Wir fühlen uns als Teil der Stadt. Die Jüdische Gemeinde ist ein fester Bestandteil des religiösen und auch gesellschaftlichen Lebens in Karlsruhe«, betont ebenso Oberbürgermeister Frank Mentrup. Er sei froh und dankbar, dass sich jüdisches Leben heute selbstverständlich in der Stadt entfalte, so der Verwaltungschef. »Ich spüre die Gewissheit und Selbstgewissheit darüber, dass das Judentum Bestand hat und stolz an zukünftige Generationen weitergetragen wird.«
Freude Bei der Feierstunde tanzen die Kinder schließlich mindestens so begeistert wie die Erwachsenen. Und mancher wischt sich Tränen aus den Augen, als Kantor Moshe Hayoun ein 92 Jahre altes Gemeindemitglied – einen Überlebenden der Schoa – zum Schreiben eines der letzten Buchstaben der neuen Tora nach vorne bittet. Zwölf Männern wird diese Ehre zuteil. Sie reichen Sofer Jean-Jaque Levy die Feder, der hoch konzentriert mit schwarzer Tusche Strich um Strich auf das Pergament zaubert.
Natürlich macht der Mann aus Strassburg, der in Karlsruhe geboren wurde, alles richtig. Ehrfurchtsvoll lauscht die Gemeinde Kantor Hayoun, während die Tusche trocknet. Und dann wird getanzt, geklatscht und gefeiert – wobei am Ende auch die Gäste begeistert mit einstimmen, als Shalom alechem erklingt.