Berlin

Auf zur nächsten Runde

Das Kandidatenkarussell für die neue Gemeindevertretung beginnt sich zu drehen. Foto: Fotolia

Der Wahlkampf ist bereits eröffnet, obwohl es noch neun Monate dauert, bis die Gemeindemitglieder ihre Kreuze auf den Stimmzetteln machen dürfen. Voraussichtlich am Sonntag, 4. Dezember, findet die Gemeindewahl statt, in der über eine neue Repräsentantenversammlung (RV) bestimmt werden wird. Dieser Termin muss allerdings noch von den amtierenden RV-Mitgliedern bestätigt werden.

Die hatten auf ihrer jüngsten öffentlichen Sitzung nur ein Thema: die Wahlordnung. Diese sollte schon in den vergangenen zwei Legislaturperioden überarbeitet worden sein, was allerdings noch nicht verwirklicht ist.

Und auch am Mittwoch vergangener Woche gab es nur wenige Aspekte, über die sich die Repräsentanten einigen konnten wie beispielsweise, dass die RV den Wahlleiter und die Wahlbeisitzer bestimmen wird, was vorher zu den Aufgaben des Vorstandes zählte. Ebenfalls gab es eine Einigung bei der Frage, wie die Kandidaten ihre Wahlwerbung künftig verschicken können. Es wurde der Versand über die Poststelle der Gemeinde – aber auf Kosten der Kandidaten – beschlossen.

»Die Kandidaten sollen Werbung machen und die Leute für sich mobilisieren können«, sagt Repräsentant Benno Bleiberg, der bereits mehrere Legislaturperioden dabei ist. Alle sollten die gleichen Möglichkeiten haben.

Kandidaten Doch wer wird überhaupt kandidieren, wer möchte wieder antreten? Etliche Repräsentanten hüllen sich noch in Schweigen. Mirjam Marcus sagt, sie sei sich noch nicht sicher. »In meinen Dezernaten läuft alles super«, meint die für Schule, Jugend und Erziehung Verantwortliche, aber sie sei dennoch am Zweifeln. Auch Mark Jaffé zuckt noch etwas unentschlossen mit den Schultern, er zögert noch.

Doch scheint er schon Bündnisse zu schmieden. Denn zuvor hatte er den Antrag eingebracht, dass sich auch Mitglieder anderer jüdischer Gemeinden in Berlin aufstellen lassen können sollten. So könnte es zum Beispiel der frühere Zentralratsvize Michel Friedman aus Frankfurt, dessen Name derzeit immer wieder als Kandidat genannt wird, auf den Stimmzettel schaffen. Vor 14 Jahren zog er eine Bewerbung schon einmal in Erwägung und hatte damals sogar vorübergehend einen Wohnsitz in Berlin.

Voraussetzungen Die derzeitige Gemeindechefin, Lala Süsskind, will sich erst im Juni entscheiden, ob sie noch einmal ins Rennen gehen wird. Voraussetzung sei für sie, dass Gemeinde und RV den vorgeschlagenen Sparkurs des Vorstands mittragen und eine Lösung bei dem Problem mit den Renten erzielt werden wird. Diese ist in einer RV im November abgelehnt worden. »Wenn die RV sich bis Sommer nicht dazu entscheidet, weiß ich nicht mehr, was ich in der Gemeinde soll«, sagt die 64-Jährige.

Es müsse dringend eine Einigung mit dem Senat erreicht werden, sonst sehe es für die Zukunft der Gemeinde sehr schlecht aus. Schließlich komme noch hinzu, dass im September das Berliner Abgeordnetenhaus neu gewählt wird. Süsskind gibt zu bedenken, dass man danach eventuell wieder »bei Null« anfangen müsse. Der jetzige Senat sei der Gemeinde gegenüber sehr wohlwollend eingestellt. Allerdings sei es auch in der Gemeinde selbst sehr schwer, einen Konsens zu finden, da frühere Mitarbeiter in der Rentenfrage kaum Verzicht üben werden. So macht auch Finanzdezernent Jochen Palenker seine erneute Kandidatur davon abhängig, dass in Sachen Sparkurs eine einvernehmliche Lösung erzielt werden kann.

Ebenfalls ist sich Vorstandskollege Grigorij Kristal noch nicht ganz klar darüber, ob er noch einmal antreten will. Überhaupt ist er mit seiner Arbeit als Kultus- und Baudezernent in den vergangenen Jahren nicht ganz glücklich – obwohl er viel geschafft habe. »Ich wollte mehr«, sagt er.

Beispielsweise, dass alle Synagogen über einen eigenen Rabbiner und ausgebildete Kantoren verfügen. Ebenso hätte er gerne alle Immobilien der Gemeinde in Schuss gebracht. Die Gemeinde verfüge über 600 Wohneinheiten, von denen etliche wegen schlechten Zustandes mitunter 15 Jahre lang nicht vermietbar waren. Nun seien sie zwar wieder bewohnt, aber er hätte gerne noch mehr saniert.

Opposition Ganz anders Gideon Joffe. Der frühere Gemeindechef sitzt als Repräsentant in der Opposition, ist sich aber schon jetzt hundertprozentig sicher: Er tritt wieder an und ist überzeugt, die Probleme der Gemeinde lösen zu können.

Auch Sarah Singer ist wieder mit von der Partie, aber nicht mehr im Wahlbündnis »Hillel«, das vor vier Jahren von Joffe ins Leben gerufen wurde. Sergej Lagodinsky, auch früher Hillel, meint, dass über diese RV schlechter geredet werde, als sie ist. »Demokratie war und ist in dieser Legislaturperiode möglich – und es gab immer ein gewisses Niveau.« Es würde seinen Überzeugungen widersprechen, aufzugeben, weshalb er wieder dabei sein wird.

Das ehemalige Bündnis »Atid« um Lala Süsskind, das vor dreieinhalb Jahren über eine knappe Mehrheit verfügte, ist auf einen kleineren Kreis zusammengeschmolzen. So gibt es seit der Abwahl Mark Jaffés als Personaldezernent eine Absplitterungsgruppe um ihn und Mirjam Marcus. Dazu kommen noch Einzelkämpfer. Als »Alleingänger« würde sich derzeit auch Gideon Joffe bezeichnen.

Auch sein einstiger Mitstreiter, das ehemalige Vorstandsmitglied Arkadi Schneiderman, will wieder antreten. Er würde sich gerne in den Wahlausschuss wählen lassen, damit bei dieser Abstimmung alles rechtens laufe und das Ergebnis unanfechtbar werde. Falls er nicht in den Ausschuss gewählt werde, schließt er nicht aus, sich als Einzelkandidat für die RV aufstellen zu lassen.

90 Tage vor dem Wahltermin müssen die Kandidaten ihre Unterlagen abgeben und sich auf die Liste setzen lassen – das ist kurz vor Jom Kippur. Die RV wird sich auf einer außerordentlichen Sitzung am Mittwoch, 30. März, erneut mit der Wahlordnung beschäftigen.

Frankfurt/Main

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