Das alte Ägypten mit seinen atemberaubenden Pyramiden, mächtigen Pharaonen und geheimnisvollen Hieroglyphen ist ein Sehnsuchtsort für mich. Das ist schon seit meiner frühesten Kindheit so. Meine Mutter hat mir einmal erzählt, dass ich mit vier Jahren vor unserem Fernseher saß und wie gebannt eine Dokumentation über das altertümliche Ägypten geschaut habe. Damit muss wohl alles angefangen haben.
Bis ich 18 Jahre alt war, habe ich mit meiner Familie in meiner Geburtsstadt Budapest in Ungarn gelebt. Danach bin ich für ein Studium über den Alten Orient nach Israel gegangen. Dafür musste ich natürlich erst einmal ordentlich Iwrit lernen. An der Hebrew University in Jerusalem habe ich dann meinen Bachelor gemacht. Es war eine gute Zeit, ich habe sehr gerne in Israel gelebt, und wer weiß, vielleicht werde ich in ein paar Jahren wieder dort hinziehen. Als Jüdin bin ich sehr stolz darauf, die israelische Staatsbürgerschaft zu besitzen.
Vor neun Jahren bin ich aus Israel nach Deutschland gekommen. An der Freien Universität Berlin habe ich meinen Master in Ägyptologie gemacht. Das Ägyptologische Seminar an der Freien Universität ist eine weltweit renommierte Institution.
Wer sich wissenschaftlich für das alte Ägypten interessiert, kommt gar nicht umhin, Deutsch zu lernen: Viele Bücher, etwa über die altägyptische Sprache, die bis heute als Standardwerke gelten, gibt es nur auf Deutsch. Das kommt daher, dass deutsche und österreichische Archäologen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zu den Pionieren der Erforschung der altägyptischen Kultur zählten.
Dank ELES konnte ich zu Symposien nach Dänemark, Japan, Italien und in die USA reisen.
Derzeit mache ich meinen Doktor in Ägyptologie an der Freien Universität. Ich stehe kurz vor dem Abschluss. Ich habe mich auf die Untersuchung von Gerüchen und Düften im alten Ägypten spezialisiert. Das war bereits das Thema meiner Masterarbeit, und da meine Betreuer von meinen Forschungsergebnissen geradezu begeistert waren, habe ich einfach weitergemacht. Das war mir allerdings nur dank der Förderung des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks (ELES) für jüdische Nachwuchswissenschaftler möglich.
DOKTORARBEIT Ohne die Unterstützung von ELES, die nie nur rein finanziell, sondern immer auch inhaltlich war, hätte ich das Vorhaben meiner Doktorarbeit niemals realisieren können. Insbesondere die Förderung von Auslandsreisen war entscheidend für die Fortführung meiner Forschungsarbeit.
Dank ELES konnte ich zu Symposien und Museumsbesuchen nach Dänemark, Japan, Italien und wiederholt in die USA reisen. Dadurch konnte ich mich international mit Kollegen vernetzen und in den Archiven vielfach noch nicht publiziertes Material aufstöbern, das für meine Untersuchungen wegweisend war. Ich habe ELES wirklich sehr viel zu verdanken. Als Alumna möchte ich mich weiter für das Studienwerk engagieren und dazu beitragen, dass die Angebote im universitären Bereich noch bekannter werden.
In meiner Dissertation untersuche ich konkret, welche Bedeutung Gerüche und Düfte in der antiken Gesellschaft in Ägypten hatten und welchen Einfluss sie auf das Leben der Menschen nahmen. Das alte Ägypten war ein Land voller wohlriechender Essenzen, Öle und Räucherwerke. Da ist zum Beispiel der Duft Kyphi, den die Menschen in ihren Privathäusern und in den Tempeln verwendet haben.
HIEROGLYPHEN Ich sehe mir dann die Originaltexte in Hieroglyphenschrift oder aus anderen Sprachstufen der Zeit an und untersuche, welche Zutaten für die verschiedenen Düfte verwendet wurden, welche Gründe es speziell für ihre Benutzung gab, und welche Bedeutung ein bestimmter Duft für die altägyptische Gesellschaft hatte. Oftmals wurden den Düften und Essenzen ganz bestimmte Wirkungen zugeschrieben.
Als wir zum ersten Mal die in den Texten beschriebenen Zutaten von Kleopatras Parfum zusammengeführt haben, war ich einfach nur fasziniert.
Durch diese kulturanthropologische Methode bin ich gemeinsam mit einem Kollegen auf das Mendesian gestoßen – das sagenumwobene Parfüm aus der Zeit Kleopatras. Als wir zum ersten Mal die in den Texten beschriebenen Zutaten verwendet und sie Schritt für Schritt zusammengeführt haben, war ich einfach nur fasziniert.
In den Schriften wird das Mendesian als ein überaus luxuriöser und eleganter Duft beschrieben. Und genauso riecht das Parfüm auch! Es war ein magischer Moment. Man konnte sich vorstellen, wie Königin Kleopatra vor Tausenden von Jahres dieses Parfüm zu besonderen Anlässen getragen hat. Allerdings gibt es in den Originaltexten keinen Beleg dafür, dass Kleopatra dieses Parfüm auch selbst hergestellt hat, wie es manchmal behauptet wird. Bestätigt ist nur, dass es zur Zeit ihrer Herrschaft der beliebteste Duft im Land war.
GERÜCHE Ich glaube, über den Geruchssinn mehr über die Kultur des alten Ägypten zu lernen, ist ein wissenschaftlich und pädagogisch enorm guter Ansatz. Düfte und Gerüche haben auf uns Menschen eine sehr starke und faszinierende Wirkung.
Wenn wir auf bestimmte Gerüche aus unserer Kindheit stoßen, erinnern wir uns an besondere Momente aus dieser Zeit zurück, ganz gleich, ob sie in der Rückschau als gut oder schlecht wahrgenommen werden. Genauso funktioniert es mit anderen persönlichen Erinnerungen, die wir in uns tragen: Es passiert einfach, man kann sich nicht dagegen wehren. Jeder kennt diese Momente, die in enger Verbindung mit dem Geruchssinn stehen. Als Forscherin mache ich mir diese intensive menschliche Sinneswahrnehmung zu eigen.
Wenn wir auf bestimmte Gerüche aus unserer Kindheit stoßen, erinnern wir uns an besondere Momente aus dieser Zeit zurück.
Wenn ich Vorträge halte oder Workshops zum Thema Duft des alten Ägypten veranstalte, kombiniere ich diese mit der praktischen Anwendung des Parfümherstellens. Ich erkläre den historischen Kontext der Gerüche und bringe alle notwendigen Ingredienzien aus meiner Geruchsbibliothek mit. Dann können die Menschen selbst einen dieser Düfte herstellen. Meine Erfahrung ist, dass die Teilnehmer am Ende der Veranstaltung wirklich etwas mitnehmen.
Durch ihren Geruchssinn tauchen sie in die längst vergangenen Welten der antiken Ägypter ein. Durch die Rekonstruktion der Aromen, die die Menschen in ihrer damaligen Zeit als wohlriechend empfunden und mit denen sie sich umgeben haben, lernen wir mehr über ihre Kultur und Bräuche kennen.
GROSSELTERN Eine erfolgreiche Ägyptologin und Forscherin zu sein, ist etwas, das mich immer wieder aufs Neue antreibt. Dabei ist mir meine Großmutter ein Vorbild. Sie war eine sehr starke Frau. Sie und mein Großvater väterlicherseits haben die Schoa überlebt. Die Geschichte, wie sie dem schon sicher geglaubten Tod entkommen ist, hat mir meine Großmutter als Jugendliche immer wieder erzählt.
Kurz vor Kriegsende hatten die mit den Nazis verbündeten ungarischen Pfeilkreuzler Tausende Jüdinnen und Juden aus Budapest an der Donau zusammengetrieben, um sie am Ufer des Flusses zu erschießen. An dieser Stelle gibt es heute ein Denkmal aus eisernen Schuhen, das an die brutale Mordaktion erinnert. Mit meinem Vater und meiner Tante auf dem Arm war meine Großmutter eine der Jüdinnen, die an der Donau standen. Sie hat nur überlebt, weil einer der Milizionäre sie weggeschickt hat.
Meine Großmutter ist mein Vorbild. Sie hat mich zu dem gemacht, was ich bin.
Warum er das getan hat, muss wohl für immer eine offene Frage bleiben. Vielleicht hat ihm meine Großmutter mit den zwei Babys auf dem Arm leidgetan. Auch solche Erfahrungen gab es während der Barbarei der Schoa. Als Jugendliche hat mich die Geschichte meiner Großmutter belastet. Heute bin ich ihr sehr dankbar dafür. Sie hat mich zu dem gemacht, was ich bin.
Das Judentum ist ein zentraler Teil meiner Identität. Das war schon in Budapest so. Ich lebe koscher und gehe regelmäßig in die Synagoge. Die Hohen Feiertage sind für mich heilig.
PLÄNE Ich bin jetzt 33 Jahre alt und lebe sehr gerne in Berlin. Gemeinsam mit einer israelischen Freundin wohne ich in einer Wohngemeinschaft im Bezirk Steglitz-Zehlendorf. Von dort aus habe ich es nicht weit bis zur Freien Universität. Das ist praktisch, denn mehrmals pro Woche halte ich mich derzeit in der Universitätsbibliothek auf, um zu schreiben, zu schreiben und noch mehr zu schreiben. Ich will einfach zügig fertig werden.
Nach der Promotion habe ich noch viel vor. Aus meiner Dissertation will ich ein Postdoc-Projekt machen. Zudem möchte ich meine Duft-im-alten-Ägypten-Workshops ausbauen – und damit noch mehr Menschen für meine große Leidenschaft begeistern.
Aufgezeichnet von Jérôme Lombard