Die Jüdische Gemeinde Dresden soll noch aktiver und lebendiger werden. Das wünscht sich Alexander Nachama, der seit Ende 2012 offiziell in Dresden als Rabbiner tätig ist und im Sommer seine Smicha erhalten wird. Um bisher ungenutztes Potenzial zu wecken, sucht der junge Rabbiner das Gespräch mit seiner Gemeinde. An einem Nachmittag in der Woche können die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde zu Dresden ihrem Rabbiner alle möglichen Fragen stellen, beispielsweise: »Wie kann ich nach der Kaschrut leben, wenn es hier keinen Laden mit koscheren Lebensmitteln gibt?«
Mit diesem ganz alltäglichen Problem plagen sich manche Gemeindemitglieder, und der Rabbiner weiß Rat. Er empfiehlt, in den Koscherlisten nachzuschauen und im normalen Geschäft gezielt die »erlaubten« Lebensmittel einzukaufen. »Die meisten sind erstaunt darüber, dass das in Ordnung ist«, erzählt Alexander Nachama.
seelsorge Oft kreisen die Fragen in der Sprechstunde um wichtige Lebensabschnitte und persönliche Ereignisse. Ein Paar will bald heiraten und möchte wissen, wie denn eigentlich die Liturgie bei der Hochzeit abläuft. Und vielfach suchen Menschen Trost, die einen nahen Angehörigen oder Freund verloren haben.
Seit Anfang dieses Jahres habe die Nachfrage nach dem Rat des Rabbis so richtig Schwung bekommen, sagt Nachama. Was ihn besonders freut: Auch junge Gemeindemitglieder nutzen das Gesprächsangebot. Sie sollen durch den Titel »Ask the Rabbi«, mit dem die Sprechstunde auf der Gemeindewebseite und bei Facebook beworben wird, auf das Informationsangebot aufmerksam gemacht werden.
Die Idee zu dem Slogan hatte ein Gemeindemitglied. Im Gemeindeblatt, das eher von den Älteren gelesen wird, nennt sich der Termin schlicht »Sprechstunde«. Die jungen Menschen mehr in das Gemeindeleben einzubinden, ist auch das Ziel der in Dresden mittlerweile etablierten Veranstaltungsreihe »Young and Jewish«, das die Altersgruppe der 18- bis 35-Jährigen anspricht.
Netzwerke Über »Young and Jewish« sucht auch der Gemeinderabbiner den Austausch mit den jungen Juden, außerdem hält er den Kontakt über Facebook, »damit die jungen Leute merken, dass ich nicht einer bin, der sich nur in einer religiösen Welt aufhält, sondern dass ich mich auch in ihre Netzwerke begebe«.
Die meisten Dresdner Gemeindemitglieder zählen jedoch zu den älteren Semestern. Überwiegend handelt es sich um Zuwanderer aus der GUS, die in ihrer Heimat kaum die Möglichkeit hatten, ihre Religion auszuüben und wenig über jüdisches Leben wissen. Ihre grundlegenden Fragen zum Glauben lassen sich in der wöchentlichen Sprechstunde nicht beantworten. Deshalb gibt Rabbi Nachama zusätzlich Unterricht, in dem es um Gottesdienst und Glaubensdinge geht.
Der Lehrstoff wird ins Russische übersetzt, richtet sich aber keineswegs nur an die Zugwanderten und behandelt die Themen: Wie läuft ein Gottesdienst ab? Welche speziellen Gebete gibt es? Was bedeuten die jüdischen Feiertage?
Zugehörigkeitsgefühl Keine Frage sei zu banal, versichert der Rabbiner. Er hofft, dass die Schulungen das Zugehörigkeitsgefühl zur Gemeinde stärken und dass Gemeindemitgliedern ohne religiöse Vorbildung die Scheu vor dem Synagogenbesuch genommen wird. »Wenn ich weiß, woran an Purim oder an den anderen Feiertagen erinnert wird, komme ich vielleicht auch mal in die Synagoge und gucke mir den Ablauf an. Das ist etwas ganz anderes, als wenn man davon nur im Gemeindeblatt liest.«
Auch die Sprachbarrieren versucht die jüdische Gemeinde zu überwinden. Im Gottesdienst erhalten die Zuwanderer inzwischen eine russische Übersetzung der Predigt. Und damit er auf die russischsprachigen Gemeindemitglieder noch besser zugehen kann, nimmt der Rabbiner jetzt auch selbst Sprachunterricht. Bald möchte er in der Synagoge die Seitenzahlen auf Russisch ansagen können. »Das ist eigentlich nur eine Kleinigkeit, aber bringt doch etwas mehr Heimatgefühl in den Gottesdienst.«