Protestnoten erreichten die Bürgermeisterin, aufgewühlte Mails, nachdenkliche Briefe, doch umstimmen ließ sie sich nicht mehr. Im Bürgerhaus von Gräfelfing ging das Humanität vortäuschende »Benefizkonzert für Menschenrechte in Gaza« vergangene Woche wie geplant über die Bühne. Für Demokraten und insbesondere auch für die jüdische Gemeinschaft wirkte das wie ein Schlag ins Gesicht.
Zu den Mahnern im Vorfeld der Veranstaltung gehörte auch IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch, die Bürgermeisterin Uta Wüst in einem ausführlichen Schreiben auf prekäre Zusammenhänge hinwies und auf eine Absage des Konzerts drängte. Umso enttäuschter ist sie jetzt.
empörung »Gerade in diesen Zeiten eines erstarkenden Antisemitismus, zu dessen vielen Gesichtern eben auch die einseitige Dämonisierung und Delegitimierung des Staates Israel gehört«, hatte Charlotte Knobloch an die Bürgermeisterin geschrieben, »darf eine Kommune keinen Zweifel an ihrer Haltung lassen, dass sie Antisemitismus kein Forum bietet. Alles andere ließe unser öffentliches Gedenken, Mahnen und Eintreten für die Menschenrechte zu einer hohlen Geste verkommen.«
Dass dem Veranstalter mit dem Bürgerhaus eine öffentliche Plattform zur Verfügung gestellt wurde, sorgte auch bei der Liberalen jüdischen Gemeinde München Beth Shalom für Empörung. Jan Mühlstein, der Vorsitzende, hatte in einem Schreiben ebenfalls gegen die Veranstaltung protestiert. Mitglieder der Gemeinde verteilten am Veranstaltungsabend vor dem Bürgerhaus Flugblätter und versuchten, mit Besuchern ins Gespräch zu kommen und zu diskutieren. »Alles blieb im Rahmen und verlief störungsfrei«, konnte Mühlstein im Anschluss zumindest feststellen.
Ohnehin mit Erstaunen hatte die IKG-Präsidentin zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Veranstaltung in Gräfelfing genau dem Strickmuster mit den gleichen handelnden Personen und Inhalten entsprach, die bereits im vergangenen Herbst in München Ärger hervorgerufen hatten. Die geplante Veranstaltung in der Erlöserkirche war damals mit der Begründung abgesagt worden, dass die Veranstalter die antisemitische BDS-Bewegung unterstützen und das Konzert die Plattform für einseitig israelfeindliche, antisemitische Äußerungen biete.
täuschung »Ich hätte es für angebracht gehalten«, erklärt Charlotte Knobloch, »dass die Gemeinde Gräfelfing diesem Schritt gefolgt wäre. Es kann nicht angehen, dass eine Veranstaltung, die letztendlich antisemitischen Zielen dient, in öffentlichen Räumen stattfindet.« Doch die Realität sah anders aus: Das umstrittene »Benefizkonzert« wurde gleich von mehreren Interessensgruppen unterstützt, unter anderem von den Grünen und der CSU.
Das bringt nicht nur Jan Mühlstein in Rage. Charlotte Knobloch hat bei der Suche nach den Gründen für die Intensität der Unterstützung nur eine Erklärung parat: »Dass sie sich gewinnen ließen, kann ich mir nur damit erklären, dass sie nicht hinreichend informiert waren und sich über die wahren Ziele des scheinbar so harmlosen ›Benefizkonzerts‹ täuschen ließen.«
Viele Mitglieder der jüdischen Gemeinde sind sich einig, dass die Veranstaltung in Gräfelfing im Endeffekt nur dem Ziel diente, Israel zu diffamieren – unter dem Deckmantel eines humanitären Zwecks. Auf diesen Aspekt hatte IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch in ihrem Schreiben Gräfelfings Bürgermeisterin ganz besonders aufmerksam gemacht. Von ihrer Einschätzung lässt sie sich auch nicht durch ein Argument abbringen, das von den Unterstützern des Konzerts genannt wurde: Der Erlös des »Benefizkonzerts«, heißt es, komme der Hilfsorganisation »medico international« zugute, einer Organisation, der vom Deutschen Zentralinstitut für Soziale Fragen (DZI) ein sorgfältiger Umgang mit den Spendengeldern bescheinigt werde.
Empathie Für Charlotte Knobloch ist diese Argumentation eher der krampfhafte Versuch, nach Rechtfertigungen zu suchen. »Es kann schon sein«, erklärt sie, »dass sorgfältig mit den Spendengeldern umgegangen wird. Doch was sagt das schon über die israelfeindliche Ausrichtung der Organisation aus? Ein Blick auf die Homepage genügt doch, um zu sehen, wie einseitig eine hochkomplexe Situation dargestellt wird. Empathie, Verständnis für die israelische Bevölkerung, die der ständigen Terrorgefahr durch den Bombenangriff aus dem Gazastreifen ausgesetzt sind? Fehlanzeige! Bemerkungen zur Hamas, die als internationale Terrororganisation eingestuft wird? Kein Wort!«
Die deutliche Kritik an dem Konzert hält Charlotte Knobloch für durchaus angemessen, und sie sei, wie sie betont, auch weit davon entfernt, einen kontroversen Diskurs über die Politik Israels zu unterbinden. Das sei zentraler Bestandteil jeder Demokratie, etwa auch in Israel, dem einzigen demokratischen Staat im Nahen Osten.
»Diese Veranstaltung aber«, analysiert sie, »macht auch eine Entwicklung deutlich: Sie beweist, dass Antisemitismus mehr und mehr seine Randpositionen verlässt und bereits in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Das ist beängstigend.«