Es ist Anfang Januar, als sich jüdische Jugendliche im Mannheimer Gemeindezentrum am Rabbiner-Grünewald-Platz einfinden. Drei Tage lang wollen sie ein Intensivtraining für die bevorstehende Jewrovision am 18. Februar absolvieren. »Mannheim featuring JuJuBa« (Jüdische Jugend Baden) sind die zweifachen Gewinner von 2015 und 2016. Zu JuJuBa gehören Jugendliche aus Mannheim, Pforzheim, Karlsruhe und Rottweil. Die Vorbereitungen zur Jewrovision 2017 laufen auf Hochtouren. Statt Eislaufen, Computerspielen oder Chillen ist Bootcamp in Mannheim angesagt.
Der Erfolg kommt nicht von ungefähr. Die jüdische Gemeinde im neuen »Zion«, wie die Band »Söhne Mannheims« einmal ihre Heimatstadt nannte, legt sehr viel Wert auf Jugendarbeit. Die treibende Kraft dahinter ist Susanne Benizri-Wedde. Sie fördert in verschiedenen Funktionen seit mehr als 20 Jahren die jüdische Jugendarbeit in Deutschland. Sie ist Mitglied des Vorstands der Mannheimer Gemeinde und Erziehungsbeauftragte der IRG Baden. »Die Jugendarbeit steht hier immer an erster Stelle. Das sind nicht nur leere Worte, sondern man gibt auch Geld dafür aus«, erklärt Benizri-Wedde einen zentralen Punkt des Erfolgsgeheimnisses.
Unterstützung Sie selbst begann in der Gemeinde als Madricha und weiß, wie wichtig es ist, dass der Gemeindevorstand explizit Jugendarbeit wünscht und bereit ist, diese zu unterstützen. Diese Willensbekundung wird in Mannheim seit 1957 gelebt und wirkt sich seit 2013 extrem positiv auf die Beteiligung der Jüdischen Jugend Badens an der Jewrovision aus.
Mannheim gilt in Baden als Vorzeigegemeinde. Mit ihren knapp 490 Mitgliedern ist sie nach Karlsruhe und Freiburg die drittgrößte in der Region und sticht mit einem weiten Spektrum an Aktivitäten hervor. Regelmäßige Gottesdienste an Schabbat und Feiertagen, wöchentlicher Seniorentreff, religiöses Lernen und ein gut funktionierendes Jugendzentrum gewährleisten ein aktives jüdisches Leben.
Auch nach außen tritt die Gemeinde durch vielfältige Aktivitäten in Erscheinung. Öffentliche Kulturveranstaltungen wie Konzerte, Vorträge und ein Tag der Offenen Tür mit einem Doronia-Basar gehören ebenso dazu wie die Beteiligung an kommunalen multireligiösen Foren. Der Gemeindevorsitzende, Majid Khoshlessan, ist seit dem vergangenen Frühjahr in der Verantwortung, all diese Aktivitäten zu koordinieren. Keine leichte Aufgabe für ihn und seine vier Vorstandskolleginnen. Er wünsche sich mehr Beteiligung von Gemeindemitgliedern, sagt Khoshlessan und betont, dass der Vorstand nicht müde werde, den Kreis der aktiven Ehrenamtlichen zu erweitern.
Ehrenamt Benizri-Wedde stellt ihr ehrenamtliches Engagement ganz in den Dienst der badischen Jugendlichen. Sie kommen aus zehn Gemeinden und sind gut organisiert. Unter der Leitung von Susanne Benizri-Wedde finden gemeinsame Machanot und Studienfahrten statt, die sowohl den Zusammenhalt unter den Jugendlichen aus den verschiedenen Städten stärken als auch das kreative Potenzial zutage fördern. Dieses Potenzial zeigt sich nicht bei der Jewrovision, zu der zwei badische Teams antreten.
Da ist zum einen der zweifache Gewinner von 2015 und 2016 »Mannheim featuring JuJuBa« und seit 2016 neu dabei »The Fantastic4 featuring JuJuBa«, Jugendliche aus Heidelberg, Freiburg, Emmendingen und Baden-Baden. Schon 2016 haben sie bei der Jewrovision mit einem bunten, tänzerisch einfallsreichen Auftritt überrascht. »Mannheim featuring JuJuBa« rekrutiert nicht nur die Tänzer und Sänger aus den eigenen Gemeindereihen, sondern auch die Choreografinnen und den vocal coach.
Zusammenhalt Dieses regionale Bewusstsein und diesen Zusammenhalt demonstriert JuJuBa nun auch in der Vorbereitungsphase, indem beide Teams am Bootcamp in Mannheim teilnehmen. Die Jugendlichen essen und trinken gemeinsam, proben aber getrennt. Für den zweifachen Sieger scheint der bevorstehende Wettbewerb auf den ersten Blick anstrengender als zuvor, gilt es doch, den dritten Erfolg zu schaffen beziehungsweise die selbst gesteckten Erwartungen zu erfüllen.
Svetlana studiert in Mannheim und ist eine von zwei Choreografinnen und Übungsleitern: »Ich denke, dass wir uns als Tanzcoaches großen Druck machen, das Niveau zu halten oder vielleicht sogar noch zu toppen. Wir versuchen aber, den Kindern jeglichen Druck zu nehmen, und sagen ihnen wie schon in den vergangenen Jahren, dass es am wichtigsten ist, dass sie Spaß haben, dass sie die vier Minuten auf der Bühne zu ihren vier Minuten machen.« So steht auch für Nastia, Boris und Vivian eindeutig der Spaßfaktor an erster Stelle. Nastia (16) aus Rottweil ist Tänzerin und seit 2013 dabei. »Als Allererstes ist wichtig, dass wir Spaß haben. Es ist nicht so wichtig, dass wir gewinnen, sondern dass wir mit viel Lust und Laune auf der Bühne stehen«, sagt Nastia.
Boris aus Karlsruhe ist als Rapper ebenfalls seit 2013 Teil des Teams. Der 18-Jährige sieht es ähnlich wie Nastia: »Ich fände es schade, wenn wir nicht gewinnen, wenn wir nicht irgendwo landen. Aber ich glaube, dass die Jewro die Aufgabe hat, die Menschen zusammenzubringen, die man lange nicht gesehen hat. Darauf freue ich mich am meisten.«
ERfolgsdruck »Ich kann mir vorstellen, dass ein gewisser Druck auf uns lastet, denn wenn wir noch einmal gewinnen, dann hätten wir den Rekord gebrochen, weil noch nie eine Gruppe dreimal gewonnen hat. Das wäre natürlich cool, aber ich glaube nicht, dass ein viel größerer Druck da ist als vorher. Ich fände es super, zu gewinnen, aber wirklich wichtig ist es mir nicht. Mir geht es um den Auftritt«, sagt die zwölfjährige Vivian aus Karlsruhe, die in diesem Jahr zum ersten Mal teilnimmt.
Susanne Benizri-Wedde betont, dass bei all der Ernsthaftigkeit, mit der die Jugendlichen an die Vorbereitungen gehen, das Jewro-Feeling und der Zusammenhalt unter den Jugendlichen im Vordergrund stehen. Für Mannheim stellt sie fest: »Letztes Jahr war der Druck hoch, dass wir zu Hause eine ordentliche Performance abliefern und die Leute nicht denken, wir hätten einfach Glück gehabt. Die Chance, den Dreifachtriumpf zu schaffen, ist gering. Wir wollen uns treu bleiben und eine tolle Show bieten. Und wir wollen das Publikum begeistern.«