Ruth Galinski war eine Frau der Tat, nicht der schönen Worte. Noch in diesem Jahr ermöglichte sie durch eine großzügige Spende mithilfe des Keren Hayesod den Aufbau der »Ruth-und-Heinz-Galinski-Bibliothek« in der Denmark High School in Jerusalem. Sie war eine der letzten Zeugen, Beteiligten, Betroffenen der Schoa, aber auch der Zeit des »Aufbaus nach dem Untergang«. Und sie war ihren Freunden eine wahre Freundin, eine lebenskluge Ratgeberin und Seelenverwandte – unprätentiös, mitfühlend, geerdet und mit gesundem Menschenverstand gesegnet.
Geboren wurde sie 1921 als Ruth Weinberg in Dresden. Sie war die Tochter eines Kaufmanns aus Bialystok und einer Dresdnerin. Schon während der Volksschule trieb sie leidenschaftlich gern Sport – Hochsprung, Leichtathletik, Speerwerfen, Handball. Nach 1933 war das nur noch in jüdischen Vereinen möglich, ihr Klub hieß SC Bar Kochba. Über diese Zeit urteilte sie im Nachhinein: »Der Sport hat mir definitiv das Leben gerettet. Wir hatten ja sonst nichts anderes.«
Heirat Im Oktober 1938 wurde sie im Rahmen der »Polenaktion« mit ihrer Mutter und ihrem Bruder nach Polen deportiert: »Ich konnte kein Wort Polnisch, lernte aber schnell«, wird sie später sagen. In einem Lager bei Warschau, in dem die drei bis Kriegsbeginn untergebracht waren, lernte Ruth Galinski den Anwalt Leon Davidson kennen. Ein halbes Jahr nach ihrer Heirat gelang es den beiden, mit falschen Papieren aus dem Warschauer Ghetto auf die polnische Seite in ein Versteck zu fliehen. 1943 wollte ihr Mann seine Eltern aus Lemberg holen – und kam nie wieder zurück.
Ruth Galinski schlug sich nach dem Aufstand im Warschauer Ghetto allein durch und schloss sich unter dem Namen Sonja Kowalska einer polnischen Partisanengruppe an: »Dort durfte ich niemandem sagen, dass ich Jüdin bin.« Anfang 1945, nach Ankunft der sowjetischen Armee, fand sie Arbeit in einem Geschäft in Krakau, ließ sich bei der Jüdischen Gemeinde registrieren. Dann traf plötzlich ein Brief von Abraham Weinberg aus Argentinien ein: »Mutter und Bruder sind wohlauf, fahr nach Berlin und warte auf dein Visum! Vater.«
Hier lernte sie 1947 Heinz Galinski kennen. Er sollte ihr eine Urkunde überreichen – zu dieser Zeit war sie Kapitänin einer Handballmannschaft von TuS Makkabi. Die beiden verliebten sich ineinander, an Ruths Geburtstag verlobten sie sich, wenige Monate später folgte die Hochzeit. Als das Visum für die USA eintraf, war sie schwanger mit ihrer Tochter. Und blieb in Berlin. Ihre Mutter Dinah sowie ihr Bruder Alexander emigrierten nach Argentinien zum Vater.
prägend Der betrat Deutschland nie wieder und lernte auch seinen Schwiegersohn nicht kennen, der als Gemeinde- und Zentralratsvorsitzender nicht nur die Berliner Jüdische Gemeinde und das Bild des Nachkriegsjudentums in Deutschland über Jahrzehnte prägte, sondern auch das Leben seiner Frau. Trotz allem war Ruth Galinski nicht nur die Frau an der Seite eines berühmten Mannes. 1953 gehörte sie mit Jeanette Wolff und Lilli Marx zu den Gründerinnen des Jüdischen Frauenbundes.
Noch 2012, als der International Council of Jewish Women seinen 100. Geburtstag feierte, war sie Ehrengast der Veranstaltung. Sie wurde in zahlreiche Vorstände gewählt, war als einzige Frau für den Zentralrat der Juden im Beirat der Stiftung Gedenkstätten Mittelbau-Dora und saß der Deutsch-Israelischen Hilfe für krebskranke Kinder vor.
Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1992 wurde es ruhiger um Ruth Galinski. Sie zog in das Seniorenheim, das den Namen ihrer langjährigen Mitstreiterin Jeanette Wolff trägt, war aber weiterhin im Vorstand der Heinz-Galinski-Stiftung aktiv, politisch sehr interessiert und besuchte hin und wieder Gemeinde- und Gedenkveranstaltungen.
Am Donnerstag vergangener Woche starb Ruth Galinski mit 93 Jahren im Jüdischen Krankenhaus Berlin. Die Lewaja fand am Sonntag auf dem Friedhof Heerstraße statt.