Ein wenig verwundert ist Gemeindevorsitzende Ilana Katz schon, dass die Kunde vom Weggang des Rabbiners »so hohe Wellen schlägt«. Die in Kassel verbreitete Tageszeitung Hessisch-Niedersächsische Allgemeine (HNA) hatte in Artikeln vom Wochenende die Befürchtung geäußert, dass die Jüdische Gemeinde Kassel zu den Hohen Feiertagen ohne Rabbiner dastehen könnte. »Kein Problem«, sagt die Gemeindevorsitzende.
»Wir haben zum 1. September jemanden, der auch vorher schon in Deutschland amtiert hat und der bekannt ist.« Den Namen will Katz jedoch noch nicht verraten. Der Rabbiner werde eine halbe Stelle in Kassel annehmen. Ihm zur Seite wird ein Kantor stehen, der auch Schiurim abhalten soll.
Gehalt Die endgültige Trennung von Rabbiner Shlomo Freyshist nach elf Jahren begründet Katz mit einem finanziellen Defizit. Die Gemeinde habe 300 Mitglieder weniger als zu ihren besten Tagen Ende der 90er-Jahre, wo sich vor allem die Zuwanderung aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion ausgewirkt hatte. »Rabbiner Freyshist wollte auch gern eine Lohnerhöhung, und der konnten wir dann nicht mehr folgen«, sagt Katz der Jüdischen Allgemeinen.
Für die sinkenden Mitgliederzahlen sei die Demografie verantwortlich und ein ganz unreligiöser Umstand: Die Universität Kassel verzeichnet sinkende Zahlen. Junge Abiturienten und Schulabgänger verließen Kassel, um woanders zu studieren oder ihre beruflichen Chancen zu suchen. »Das hat sich erfreulicherweise geändert«, sagt Katz, und die jetzigen Jugendlichen wollten wieder vermehrt an der heimischen Hochschule studieren, doch die Mitgliederzahlen lassen sich nicht so schnell aufstocken.
Bibel Shlomo Freyshist amtiert inzwischen in Nürnberg. Der Rabbiner hatte auch das von der ehemaligen Vorsitzenden Esther Haß initiierte jüdische Franz-Rosenzweig-Lehrhaus unterstützt und regelmäßig Vorlesungen gehalten. Im zweiten Halbjahr widmet es sich dem Thema »Prophetinnen in der Bibel«. Einmal im Monat werden weiterhin sonntags einzelne Bibelstellen vorgestellt und diskutiert. Der nächste Termin ist Erew Rosch Haschana, mittags um 11.30 Uhr im Gemeindezentrum.
Rabbiner Freyshists Familie lebte die ganzen Jahre hinweg in Frankfurt, weil es weder einen jüdischen Kindergarten noch eine jüdische Schule in Kassel gab und gibt. Das bedauert auch Ilana Katz. »Die Rabbiner sind schon darüber irritiert, dass meine Tochter beispielsweise auf eine katholische Schule geht.« Es gehe eben nicht anders. Aber die Gemeindevorsitzende ist zuversichtlich: »Die Menschen kehren nach Kassel zurück.«