Bis Ende des Jahres haben wir einen neuen Rabbiner», ist Reinhard Schramm, Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, überzeugt. Der Gemeinde mit ihren 800 Mitgliedern ist ihr Rabbiner Konstantin Pal nach nur drei Jahren abhandengekommen. Stückweise sozusagen. Zunächst – einige Zeit nach dem Tod seines Vaters – arbeitete der junge Rabbiner verkürzt, ehe er ganz in Richtung Berlin ging. «Ich habe familiäre Gründe», sagte Pal der Jüdischen Allgemeinen.
Pal bezeichnet sich selbst als Europäer und lebte die meiste Zeit seines Lebens in Berlin. Direkt nach seinem Studium am Potsdamer Abraham Geiger Kolleg kam er nach Thüringen. Hier wurde er feierlich ordiniert. Er war nach 70 Jahren wieder der erste Rabbiner in diesem Bundesland – und Hoffnungsträger.
«Ich hätte mir gewünscht, dass er bleibt. Aber das war seine Entscheidung», sagt Schramm. Andere Gemeindemitglieder sind weniger nachsichtig und verständnisvoll. «Dass er gegangen ist, mag sein gutes Recht sein. Aber er hätte ehrlicher sein sollen», heißt es in der Gemeinde. Denn bereits im Januar hatte Pal nur noch wenig in Erfurt gearbeitet, aber auf Nachfrage von Gemeindemitgliedern den «Abschied auf Raten» damals verneint.
Aufgabe Doch bereits im März erschien im Gemeindeblatt der Hauptstadt, «Jüdisches Berlin», ein Gruß von Konstantin Pal. Darin stellte er sich als Kultusverantwortlicher für die Gemeinde vor und freute sich ganz öffentlich auf seine Aufgaben in Berlin. «Es war nicht ganz klar, ob ich tatsächlich gehen werde», versichert Pal heute. Deshalb habe er geschwiegen, so der Rabbiner.
Im Alter von zehn Jahren war Pal mit seinen Eltern nach Deutschland gekommen. «Ich war nicht religiös, wie hätte ich das in Russland auch sein sollen», erzählt er. Doch das jüdische Leben in Berlin zog ihn an. So sehr, dass er sich schließlich entschied, am Geiger-Kolleg zu studieren.
In Erfurt wurde Pal freudig empfangen. Dennoch gab es auch Streit. Der liberale Rabbiner war manchen Mitgliedern nicht streng genug. «Ich bin jedoch nicht wegen des Streits gegangen», versichert der 35-Jährige. Sein Vorteil war stets die Zweisprachigkeit. Denn nahezu alle Gemeindemitglieder kommen aus Russland, der Ukraine oder anderen Ländern der Ex-Sowjetunion. Nur eine Handvoll sind gebürtige Deutsche. «Ohne die Zuwanderer würde es uns nicht mehr lange geben», weiß auch Gemeindevorsitzender Schramm.
Kantor Dieser ist davon überzeugt, dass die Gemeinde in den nächsten Wochen einen neuen Rabbiner finden wird. Bis dahin hat Kantor Sasha Zakharenko die Aufgaben im Gottesdienst übernommen. «Er singt ohnehin besser als der Rabbi», trösten sich manche Gemeindemitglieder über den Verlust hinweg. Der Kantor wurde inzwischen sogar bei der Gemeinde fest angestellt.
Doch eigentlich soll er in diesem Jahr ein jüdisches Musikfestival organisieren. Auch dafür ist eine halbe Stelle im Etat vorgesehen. Dafür fehlt Zakharenko im Moment jedoch die Zeit. Bis zum Ende des Jahres hat die Gemeinde noch andere Probleme zu lösen: Der Friedhof muss dringend erweitert werden. Zudem ist die denkmalgeschützte Trauerhalle einsturzgefährdet.
Ganz aus der Welt ist Konstantin Pal für die Thüringer Landesgemeinde jedoch auch in Berlin nicht. Vorerst gibt er weiterhin in der Mitte Deutschlands Hebräischunterricht. Vielleicht genügt ein Anruf in Berlin, um ihn auch nach seinem Weggang noch für den Ernstfall nach Erfurt rufen zu können.