»Nun ist es klar, wer das Zepter in der Hand hat«, sagt Jochen Palenker, amtierender Finanzdezernent der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Durch die Wiederholungswahl zur 17. Repräsentantenversammlung (RV) seien klare Verhältnisse geschaffen worden.
Gideon Joffe hat mit seinem Bündnis Koach! die Wahl gewonnen, seine Gruppierung verfügt über 14 von 21 Sitzen. Er dürfte damit in der konstituierenden Sitzung im Februar zum Gemeindevorsitzenden gewählt werden.
Bei der Wahl vom 4. Dezember sah das Ergebnis noch anders aus. Koach! hatte eine geringe Mehrheit, hätte aber ohne Unterstützung von anderen Repräsentanten noch nicht einmal einen Vorstand wählen können.
Mit 1.276 Stimmen hat Gideon Joffe diesmal die meisten Stimmen bekommen, gefolgt von Michael Rosenzweig (1.072) und Edward Datel (1.051). Koach! verfügt damit über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament und kann alle Entscheidungen und Satzungsänderungen allein treffen. Die Opposition wird kaum Einfluss nehmen können.
Natan Del und Alexander Brenner sind wieder als Einzelkandidaten in die RV gewählt worden. Zum ersten Mal seit vier Abstimmungen ist Alexander Brenner nicht mehr auf Platz eins, sondern auf Platz 17 gekommen. Von der Gruppierung Schalom – Bündnis der Vernunft schafften neben Spitzenkandidat Sergey Lagodinsky noch Sara Nachama, Michael Joachim und Tuvia Schlesinger den Sprung ins Gemeindeparlament. Von Verantwortung – Jetzt ist nur noch Micha Guttmann unter die ersten 21 Vertreter gewählt worden. Die Kandidaten von Hatikwa landeten wie bei der ersten Wahl am 4. Dezember im hinteren Feld.
Defizit Der 39-jährige Joffe, der bis zum Herbst vergangenen Jahres übergangsweise Geschäftsführer der Berliner Treberhilfe war, stand bereits von 2005 bis 2008 an der Spitze der Gemeinde. Bei seinem Abgang hinterließ er damals ein Millionendefizit.
Gideon Joffe war bei den Wahlen gegen eine »Philosophie des Abbaus« angetreten, wie er in der Wahlzeitung in eigener Sache warb. Die Gemeinde soll seiner Meinung nach »weiter aus- und aufgebaut« werden. Auf der Homepage von Koach! ist nun nur noch ein Satz zu finden: »Wir danken den Wählern für ihr Vertrauen.« Joffe wollte den Wahlausgang nicht kommentieren.
»Mir tut es am meisten Leid, dass meine Mitstreiter nicht mit in die RV gekommen sind«, sagt Sergey Lagodinsky. Immerhin sollten von Schalom bei der ersten Wahl sieben Kandidaten vertreten sein, nun sind es nur noch vier. Mike Delberg, ebenfalls Schalom, schaffte es auf den unglücklichen 22. Platz und wird damit nicht in der Repräsentanz sein. »Ich mache mir Sorgen um die Jugendarbeit der Gemeinde«, sagt der Student, der mit 22 Jahren als jüngster Kandidat antrat. Er sehe keinen einzigen Repräsentanten, der Jugendarbeit leistet oder sich um die Mitglieder im Alter von 18 Plus einsetzt.
»Der Wähler hat entschieden, mir fällt nichts mehr ein, ich bin sprachlos. Möge Joffe mit seiner Mannschaft zum Wohle der Gemeinschaft Glück bringen, schauen wir mal, was er bringt«, sagte die amtierende Gemeindechefin Lala Süsskind, die nicht mehr kandidiert hatte. »Das Ergebnis hat die Gemeinde nicht verdient, wenn ich an die Zukunft denke, ist das der ›worst case‹. Es entspricht nicht dem Stimmungsbild der Gemeinde der vergangenen Wochen«, meint Präsidiumsvorsitzender Michael Joachim.
Die jetzige RV ist endgültig abgewählt. Von dem ehemaligen Atid-Bündnis sind nur noch Tuvia Schlesinger und Michael Joachim dabei. »Das Ergebnis repräsentiert das Mehrheitsgefälle der Gemeinde«, so der ehemalige Gemeindechef Albert Meyer. Joffe hätte »verantwortungslose Versprechen« ge- macht.
Briefwahl 9.114 Gemeindemitglieder waren zur Wahl eingeladen, von denen 2.465 ihre Stimme abgegeben hatten. 918 Mitglieder stimmten per Briefwahl, von denen 39 Stimmen für ungültig erklärt worden sind. Nach der Auszählung der Stimmzettel aus den Wahllokalen hatte sich eine andere Zusammensetzung der 17. RV ergeben, als beim Endergebnis vorlag. Ausschlaggebend waren die Briefwahlunterlagen.
Alle 14 Kandidaten von Koach! haben etwa 200 bis 400 Stimmen mehr in den Briefwahlunterlagen. Beispielsweise hat Gideon Joffe insgesamt 717 Stimmen aus den Wahllokalen erhalten und 559 von den Mitgliedern, die per Brief ihr Votum abgegeben haben. Sofia Feldmann-Can von Koach! erhielt 386 Stimmen aus den Wahllokalen und 476 per Briefwahl.
So eine Differenz bei 14 Kandidaten sei schon auffällig, meint Benno Bleiberg, langjähriges RV-Mitglied. Er befürchtet nun, dass der neue Vorstand kein konsequentes Sparprogramm einschlagen wird. Joffe gelte nicht als »Sparkönig. Schlimmer hätte es nicht kommen können«.
Im Senat, der die Gemeinde aufgrund eines Staatsvertrages aus dem Kulturhaushalt mit 9,3 Millionen Euro im Jahr unterstützt, erwarten die Verantwortlichen allerdings energische Sparbemühungen, in absehbarer Zeit einen ausgeglichenen Haushalt und eine Rückzahlung von 4,5 Millionen Euro. »Der neue Vorstand wird lernen müssen, dass das Geld nicht vom Himmel regnet und vom Senat schon gar nicht«, meint Lala Süsskind.
Sitzung Die Wahlbeteiligung lag wieder bei 27 Prozent. Die Wahl vom 4. Dezember musste wegen Unregelmäßigkeiten in einem Wahllokal wiederholt werden. Die Kosten beliefen sich auf 27.000 Euro. Die Repräsentantenversammlung wählt im nächsten Schritt einen Vorstand, der dann wiederum den neuen Vorsitzenden wählt. Die konstituierende Sitzung soll Ende Februar sein.