»Der beste Beweis, dass das Judentum niemals untergehen wird«: Das ist in Elisa Klaphecks Augen der Egalitäre Minjan der Jüdischen Gemeinde Frankfurt. Die Rabbinerin leitet seit 2009 die Gottesdienste der liberalen Synagogengemeinschaft, die am Sonntagabend zu einem Festakt anlässlich des 30. Jubiläums ihrer Gründung ins Ignatz Bubis-Gemeindezentrum lud. Die zahlreichen Gäste erwartete ein musikalisch, liturgisch und kulinarisch umrahmtes Programm mit prominenten Rednerinnen und Rednern.
Elisa Klapheck erinnerte sich an ihren ersten Besuch eines gleichberechtigten jüdischen Gottesdienstes der 1994 unter anderem von Micha Brumlik, Susanna Keval und Andrew Steiman gegründeten, liberalen Gruppe: »Ich war überwältigt, so etwas hatte ich noch nie gesehen.«
»Das Frankfurter Modell macht Schule über Frankfurt hinaus«, sagte die Rabbinerin über die seit den 1990er-Jahren zuerst in der Mainmetropole praktizierte, sich zunehmend auch bundesweit etablierende Ko-Existenz orthodoxer und liberaler Jüdinnen und Juden unter dem Dach der Einheitsgemeinde.
Zentralratspräsident: »Sie machen diese Gesellschaft etwas vielfältiger«
Dass das Frankfurter Modell sich bis heute bewährt habe, erwähnte auch Josef Schuster wohlwollend. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland betonte in seinem Grußwort den Stellenwert gelebter Pluralität und Streitkultur im Judentum: »Gerade im Streit, gerade in der Kultur von Machloket sind wir verbunden.« »Sie machen diese Gesellschaft etwas vielfältiger, aber auch die jüdische Landschaft«, sagte Schuster über den Egalitären Minjan. Er würdigte zudem Elisa Klaphecks Engagement in dem 2023 unter dem Dach des Zentralrats gegründeten Jüdischen Liberal-Egalitären Verband JLEV.
Marc Grünbaum, Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, erinnerte an die zentrale Rolle seines Vorvorgängers Ignatz Bubis, der 1998 den damals noch unter dem Namen »Kehillah Chadaschah« (Hebräisch für »Neue Gemeinde«) agierenden Egalitären Minjan einlud, seine Gottesdienste und Veranstaltungen im Gemeindezentrum abzuhalten. Diese Entscheidung sei einstimmig vom Vorstand und Gemeinderat getroffen worden, so Grünbaum.
Er unterstrich die Kontinuität des liberalen Judentums in Frankfurt, die von der 1910 eröffneten, bis heute genutzten Westend-Synagoge bis zu einer liberalen Betergemeinschaft in der Nachkriegszeit reichte: »Der liberale Ritus war weniger eine Neugründung denn eine historische Fortsetzung.«
Kontinuität des liberalen Judentums in Frankfurt
Auch Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) stellte den Egalitären Minjan in eine historische Tradition: »Diese Idee passt zu unserer liberalen, ehemaligen Freien Reichsstadt.« Josef dankte Rabbinerin Elisa Klapheck und Daniel Kempin, dem Chasan des Egalitären Minjan, für ihren Einsatz: »Ihr leistet Arbeit am Gemeinwesen.« Er sicherte dem Egalitären Minjan, aber auch der gesamten Jüdischen Gemeinde seine Unterstützung zu: »Wir stehen als Stadt Frankfurt an Eurer Seite.«
»Ein großes Mazal Tov und ein L‹Chaim auf Euch« überbrachten Cornelia Haberland-Krüger und Sarah-Elisa Krasnov im Namen der JLEV-Mitgliedsgemeinden. Rabbinerin Ulrike Offenberg betonte als Vertreterin des kürzlich gegründeten Regina Jonas Seminars den Wert von Zusammengehörigkeit, Flexibilität und Kompromissbereitschaft für eine funktionierende plurale jüdische Gemeinschaft. Eine wertebasierte Vision formulierte auch Elisa Klapheck: »Wir brauchen ein Verständnis der jüdischen Religion, das sich zugleich jüdisch wie demokratisch versteht.« Man dürfe das Bild der Religion nicht den Radikalen überlassen, mahnte die auf das Erreichte sichtlich stolze Frankfurter Rabbinerin.