Podiumsdiskussion

Zwischen Tagwerk und Tora

von Miryam Gümbel

»Töchter zwischen Tagwerk, Tora und Tachles. Jüdische Frauen heute« hatte Ellen Presser vom Kulturzentrum der IKG den Benefiz-Abend zugunsten des Jüdischen Zentrums am Jakobsplatz in der Reihe »Jüdische Lebenswelten« überschrieben, zu dem sie gemeinsam mit der Münchner Volkshochschule und dem Gasteig in dessen Räume eingeladen hatte. Auf der Einladung und dann auf der Leinwand über dem Podium war ein Bild zu sehen, das Frauen beim Tora-Studium zeigte. Damit war man schon mitten im Thema.
Zum einen waren es Frauen, die sich hier dem Studium der heiligen Schriften widmeten. Zum anderen war es das Bild einer Künstlerin von heute, von Barbara Honigmann. Die Malerin und Schriftstellerin, 1949 in Ostberlin geboren, lebt heute in Straßburg. Sie war eine der Diskutantinnen am Podium, die über ihr Rollenverständnis und ihr Leben als jüdische Frau von heute sprechen sollte. Weitere Frauen am Podium waren die Münchner Publizistin Olga Mannheimer, 1959 in Warschau geboren, sowie die Pianistin Yaara Tal, geboren 1955 in Tel Aviv. Auch sie lebt in München.
Ellen Presser arbeitete im Gespräch mit den Frauen heraus, was von dem tradierten Rollenverständnis der jüdischen Frau als gleichberechtigter Partnerin, aber doch in erster Linie zuständig für den koscheren Haushalt und die Kinder, heute geblieben ist. Wie leben säkulare Frauen ihr Judentum heute?
Barbara Honigmanns Eltern waren Kommunisten geworden und ließen sich in der DDR nieder. Ihr Gesellschaftskreis. so die Tochter im Rückblick, bestand nur aus Freunden gleichen Schicksals. Es war praktisch eine Insel, auf der sie aufwuchs. Mit einem Zitat von Fritz Kortner unterstrich Barbara Honigmann, daß Judentum nicht abendfüllend sei. »Für mich ist es ein Aspekt meiner Biographie, eine Lebensdimension, in die ich hineingeboren bin«, betonte sie. »Ich muß es mit einem Sinn erfüllen.«
Der im Bild festgehaltene Tora-Kreis unterstreicht dieses Bestreben ebenso wie das praktizierte Judentum, das Moderatorin Ellen Presser immer wieder hervorhob. Wie selbstverständlich es Barbara Honigmann bei aller Eigenständigkeit und Selbständigkeit ihres Lebens als moderner Frau von heute ist, wurde fast beiläufig klar, indem sie nur schwer aus der Reserve eben dieser Selbstverständlichkeit zu locken war. Gelebtes Judentum ist für die Frau, die es lebt, nichts Besonderes.
Für Olga Mannheimer bedeutet Judentum heute, wie sie sagte, eine kulturelle Zugehörigkeit, die sie auch ihren Kindern vermitteln wolle.
Als Tochter von KZ-Überlebenden ist Yaara Tal in Israel geboren und aufgewachsen. Ganz selbstverständlich wurde sie in einer jüdisch geprägten Umgebung groß. Sie wuchs auf »mit Tscholent, Gefilte Fisch und viel Liebe«. In Israel Jüdin zu sein, war für Yaara Tal ganz normal. Und auch in Deutschland bleibt sie »hundertprozentig jüdisch, zionistisch und Israelin«. Was es bedeutet, aus einer Familie zu kommen, die nur zum Teil die Schoa überlebt hat, diese Frage stellte sich ihr erst später.
Das Podiumsgespräch machte klar, daß Tradition und Moderne miteinander vereinbar sind. Beruflich erfolgreiche Frauen von heute müssen in ihrem Zuhause nicht zwangsläufig in Widerspruch zu der überlieferten Frauenrolle stehen.

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