Von Jonathan Scheiner
Berühmt geworden ist der französische Comicautor Joann Sfar mit »Die Katze des Rabbiners«. Die Geschichte von dem sprechenden Kater, der seinem frommen Besitzer mit respektlosen talmudischen Debatten den Nerv raubt, hat sich in Frankreich mehr als 450.000mal verkauft. Jetzt hat sich der vor 35 Jahren in Nizza als Sohn einer Sängerin und eines Rechtsanwalts geborene Zeichner und Autor – sein Familienname leitet sich von »Sofer« ab, dem hebräischen Wort für Schreiber – einem jüdischen Thema aus der Kunstgeschichte zugewandt. Sein Comic Pascin ist die gezeichnete Biographie des expressionistischen Malers Jules Pascin.
Pascin, geboren 1885 als Julius Mordecai Pinkas im bulgarischen Widin ist vor allem durch seine hocherotischen Frauen- akte bekannt. Sex trieb ihn nicht nur im Atelier um. Sfar zeichnet einen saufenden und hurenden Helden, der wie nebenbei Bilder malt und kunstästhetische Exkurse anstellt. Er läßt Pascin die Straßen, Bordelle und Spelunken des Montmartre unsicher machen, wo er neben Huren und Ganoven auch seine jüdischen Malerkollegen Marc Chagall und Chaim Soutine trifft. Weder wird dabei mit Blasphemie gespart, noch gibt es sonstige Tabus. Sfar läßt auch Pascins gynäkologisch-urologische Vorlieben zu ihrem Recht kommen, in einer künstlerischen Direktheit, die in Rodin, Klimt oder Schiele ihre Vorbilder hat.
Joann Sfar hat in Nizza die Kunstakademie besucht. Dieses Studium ist den Zeichnungen bis in die Details anzumerken. Souverän wechselt er die Stile, manchmal auf ein- und derselben Seite, je nachdem, welche Aussage und kunsthistorischen Bezüge er erzielen will. Wer bisher immer noch glaubte, Comics seien etwas für Kids, wird mit Pascin eindeutig eines besseren belehrt. Nein, für Jugendliche oder Kinder ist dieses Buch schon wegen seiner expliziten Sexualität wohl kaum geeignet. Erwachsene aber werden daraus viel Lust- und Lerngewinn ziehen.
joann sfar: pascin
Übersetzt von David Permantier
Avant, Berlin 2006, 185 S., 19,95 €