Von Sabine Brandes
Der Klassenausflug in diesem Jahr wird kein leichter sein. In wenigen Tagen macht sich die 11a des landwirtschaftlichen Gymnasiums in Pardes Channa auf nach Polen. Für jede 11. Klasse in Israel steht der Besuch von Auschwitz fest auf dem Lehrplan. Die Mädchen und Jungs werden auch am
9. November dort sein – der Nacht, die in Deutschland der Anfang vom Ende war.
Geschichtslehrer Halel Hadari geht vor der Fahrt mit seiner Klasse noch einmal die historisch bedeutendsten Daten durch. »Was geschah am 9. November?«, fragt er in die Runde. Nicht ein Finger geht hoch. Hadari fügt das Jahr hinzu: 1938? Die ersten Schüler beginnen zu raten, doch richtig liegt niemand. Erst, als der Lehrer anmerkt, dass es sich um »Lail Ha’Bdolach« handelt, wissen die 16- bis 17-Jährigen, worum es geht: die Pogromnacht vor 70 Jahren. Den politisch korrekten Terminus aber benutzt hier kaum jemand. Die Schreckensnacht ist bei der Mehrzahl der Israelis lediglich be-
kannt unter der euphemistischen Bezeichnung der Nazis, »Kristallnacht«.
»Im Geschichtsunterricht wird an diesem Tag der 9. November durchgenommen, weil die Klasse ohnehin gerade beim Thema Schoa ist«, erklärt Hadari, »sonst aber in der Regel nicht«. Gedenkveranstaltungen in Schulen gäbe es kaum. »Hierfür ist der landesweite Jom Haschoa da, der Holocaust-Gedenktag.« Aber selbstver-
ständlich habe dieser Tag historisch auch in Israel die Bedeutung des Datums, an dem der Schrecken real wurde, fügt er hinzu.
Außerhalb der Schulen findet die Po-
gromnacht in Israel wenig Beachtung, der 9. November ist kein offizieller Gedenktag. In den Zeitungen erscheinen jedes Jahr Artikel, noch lebende Augenzeugen schildern ihre Erlebnisse. Verschiedene Vereinigungen von Schoa-Überlebenden veranstalten Gedenkfeiern im privaten Rahmen, etwa in Altenheimen von Tel Aviv.
Zumindest in Jerusalem ist der 70. Jahrestag aber Anlass für öffentliches Gedenken: Im Konrad-Adenauer-Konferenzzentrum in Mishkenot Shaananim wird an die Ereignisse der Pogromnacht mit einer Zeremonie am 9. November und mit einer mehrtägigen Veranstaltung erinnert. Dis-
kussionen, Vorträge, eine Ausstellung so-
wie Film- und Theatervorführungen ge-
hören zum Programm. Auch die Holcaust-Gedenkstätte Yad Vashem richtet ihren Fokus auf das besondere Datum. Pressesprecherin Esti Yaari betont, dass der 9. November nicht nur in diesem besonderen Jahr, sondern regelmäßig von Yad Vashem begangen werde.
Die Gedenkveranstaltung wird am Abend des 9. November stattfinden, zu der Vertreter aus Politik und Gesellschaft, Holocaust-Überlebende und der deutsche Botschafter in Israel, Harald Kindermann, eingeladen sind. Holocaustforscher Yehuda Bauer wird einen Vortrag halten und anschließend zur Diskussion einladen. Die Feier wird in der Halle der Erinnerung be-
gangen, den Opfern des Nationalsozialismus wird abschließend mit einem Gottesdienst in der Synagoge gedacht.