Differenzen

Zweite Wahl

von Wladimir Struminski

Mag der Wahlkampf 2006 noch so langweilig gewesen sein – seit der Wahl ist Israels Politik wieder spannend. Das erste Drama war die nach der Auszählung aller Stimmen verkündete Revision der vorläufigen Wahlergebnisse. Dabei konnten Kadima, der Likud und Meretz um je ein Mandat zulegen, während die Arbeitspartei, Schas und die rechte Immigrantenpartei Israel Beitenu je einen Platz in der Knesset einbüßten. Im Endergebnis verfügt der Mitte-Links-Block aus Kadima, Arbeitspartei, der Rentnerpartei und der linksliberalen Meretz über 60 Mandate, während das rechtsreligiöse Lager auf 50 und der arabische Block auf zehn Knessetsitze kommt.
Nun ist Kadima neben den anderen Mitte-Links-Parteien auf mindestens einen Partner von der Rechten angewiesen. In Frage kommen die beiden ultraorthodoxen Fraktionen, Schas und das Tora-Judentum, sowie Israel Beitenu. Allerdings stehen alle drei dem von Olmert geplanten Rückzug aus großen Teilen der West Bank ablehnend gegenüber. Um am Kabinettstisch Platz zu nehmen, müßten sie eine ideologische Kehrtwende machen oder Olmert zwingen, sein Hauptziel zumindest zu verwässern. Hinter den Kulissen wird bereits um einen Kompromiß gerungen. Israel-Beitenu-Chef Awigdor Lieberman ließ durchblicken, er sei nicht »grundsätzlich« gegen einen Rückzug. Es müßten lediglich Israels Sicherheitsinteressen gewährleistet bleiben. Israelische Medien berichten, daß Olmert sich seinerseits zum Aufschub des Rückzugs um mindestens ein Jahr bereit erklären könnte.
Noch komplizierter ist das Thema Wirtschaftspolitik. Während Kadima und Israel Beitenu markt- und reformorientiert sind, verstehen sich alle anderen potentiellen Mitregenten als Anwälte der sozial Schwachen. Um ihre Forderungen wie eine massive Anhebung des Mindestlohns, der Renten und des Kindergeldes zu erfüllen, müßte das nächste Kabinett das Haushaltsdefizit um umgerechnet fast zwei Milliarden Euro erhöhen. Damit wäre die in den letzten Jahren mühsam erkämpfte Wirtschaftserholung gefährdet. Warnend erklärte denn auch Zentralbankchef Stanley Fischer, die bisherigen Stabilisierungserfolge dürften nicht gefährdet werden.
Als wäre das nicht genug, leitete der Vorsitzende der Arbeitspartei, Amir Peretz, kurz ein Überholmanöver von rechts ein. Seine Vertreter nahmen Gespräche mit dem rechtsreligiösen Block über eine Regierung ohne Kadima auf. Das löste in der Öffentlichkeit und bei einem Teil von Peretz’ Genossen Entrüstung aus. Peretz zog seinen Vorschlag zurück – und fügte sich in sein Schicksal als Juniorpartner. Bei einer Pressekonferenz mit Olmert erklärte Peretz am Dienstag, er werde dem Staatspräsidenten empfehlen, den Kadima-Chef mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Doch die lediglich übertünchten ideologischen Gräben markieren Sollbruchstellen dieses Bündnisses. Der Tel Aviver Politikwissenschaftler Dani Koren prophezeit deshalb, daß die Regierung Olmert keine volle Amtsperiode überleben wird.

Fernsehen

Mit KI besser ermitteln?

Künstliche Intelligenz tut in Sekundenschnelle, wofür wir Menschen Stunden und Tage brauchen. Auch Ermittlungsarbeit bei der Polizei kann die KI. Aber will man das?

von Christiane Bosch  21.04.2025

Reaktionen

Europäische Rabbiner: Papst Franziskus engagierte sich für Frieden in der Welt

Rabbiner Pinchas Goldschmidt, der Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner, würdigt das verstorbene Oberhaupt der katholischen Kirche

 21.04.2025

Berlin

Weitere Zeugenvernehmungen im Prozess gegen Angreifer auf Lahav Shapira

Der Prozess gegen Mustafa A. am Amtsgericht Tiergarten geht weiter. Noch ist unklar, ob am heutigen Donnerstag das Urteil bereits gefällt wird

 17.04.2025

Indischer Ozean

Malediven will Israelis die Einreise verbieten

Es ist nicht die erste Ankündigung dieser Art: Urlauber aus Israel sollen das Urlaubsparadies nicht mehr besuchen dürfen. Das muslimische Land will damit Solidarität mit den Palästinensern zeigen.

 16.04.2025

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025

Spenden

Mazze als Mizwa

Mitarbeiter vom Zentralratsprojekt »Mitzvah Day« übergaben Gesäuertes an die Berliner Tafel

von Katrin Richter  10.04.2025

Jerusalem

Oberstes Gericht berät über Entlassung des Schin-Bet-Chefs

Die Entlassung von Ronen Bar löste Massenproteste in Israel aus. Ministerpräsident Netanjahu sprach von einem »Mangel an Vertrauen«

 08.04.2025

Würdigung

Steinmeier gratuliert Ex-Botschafter Primor zum 90. Geburtstag

Er wurde vielfach ausgezeichnet und für seine Verdienste geehrt. Zu seinem 90. Geburtstag würdigt Bundespräsident Steinmeier Israels früheren Botschafter Avi Primor - und nennt ihn einen Vorreiter

von Birgit Wilke  07.04.2025

Weimar

Historiker Wagner sieht schwindendes Bewusstsein für NS-Verbrechen

Wagner betonte, wie wichtig es sei, sich im Alltag »gegen Antisemitismus, gegen Rassismus, gegen Muslimfeindlichkeit und gegen jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit« zu engagieren

 07.04.2025