von Ayala Goldmann
Im israelischen Fernsehen wird Yulie Gerstel Cohens Dokumentarfilm Mein Land Zion nicht zu sehen sein. Zehn TV-Kanäle hätten die Ausstrahlung abgelehnt, berichtet die Filmemacherin. An der Qualität kann es nicht liegen: Gerstel Cohens kritische Auseinandersetzung mit ihrer zionistischen Familiengeschichte ist emotional packend, und ihre Frage, ob ihre Kinder im richtigen Land aufwachsen, stellen sich heute viele Eltern in Israel. »Hätte ich Söhne, würde ich das Land verlassen«, sagt Cohen Gerstel, Mutter von zwei Töchtern und früher selbst Offizierin der israelischen Armee. Ihr Film eröffnet den Themenabend Ein Traum von Heimat: Israel und Palästina – Ein Land, zwei Völker am Freitag um 22.15 Uhr auf arte.
Schon 2002 hatte Cohen Gerstel in Israel die Gemüter mit ihrem Dokumentarfilm Mein Terrorist erregt, einer dramatischen Auseinandersetzung mit eigener Geschichte. Cohen Gerstel, einst Stewardess bei El Al, wurde 1978 bei einem Anschlag der »Volksfront für die Befreiung Palästinas« verletzt. Eine ihrer Kolleginnen kam ums Leben. Der Attentäter wurde gefaßt und zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. 22 Jahre nach dem Anschlag besuchte Cohen Gerstel den Mann im Gefängnis und setzte sich für seine Begnadigung ein. »Ich glaube an Versöhnung, und ich verzeihe ihm«, erklärte sie. Eine Geste, die zur Zeit des Oslo-Friedensprozesses Mitte der 90er Jahre in Israel auf mehr Gegenliebe gestoßen wäre, als nach Beginn der zweiten Intifada.
Daß Cohen Gerstel »ihrem Terroristen« verzieh, hängt möglicherweise mit ihrer eigenen Familiengeschichte zusammen, die sie in Mein Land Zion aufrollt. Ihr Vater, vor Gründung des Staates Israel Kämpfer in der Elitetruppe Palmach, spricht vor der Kamera mit seiner Tochter offen über Vertreibungen und Tötungen arabischer Dorfbewohner, an denen er beteiligt war.
Um die Schuldgefühle, die die Filmemacherin deswegen hat, geht es hauptsächlich in dem Film – Schuldgefühle, die Cohen Gerstel zu nicht immer nachvollziehbaren politischen Schlußfolgerungen veranlassen. Heutzutage noch einen »gemeinsamen säkularen Staat« von Juden und Arabern für möglich zu halten, wirkt im besten Falle weltfremd.
Aber nicht deshalb wohl wollte den Film in Israel kein Sender ausstrahlen. Auch nicht wegen der Themensetzung: Daß viele der Hunderttausenden von Palästinensern, die 1947/48 ihre Städte und Dörfer verließen, aktiv vertrieben wurden, ist seit den »Neuen Historikern« kein Geheimnis mehr. Möglicherweise, vermutet Cohen Gerstel jedenfalls, konnte sich der Film wegen Bezügen zur Schoa nicht durchsetzen. Obwohl er keine direkten Vergleiche zieht, könnten einander gegenübergestellte Bilder von ehemals jüdischen Häusern in Europa und verlassenen palästinensischen Häusern in Israel wie eine Gleichsetzung gewirkt haben.
Wo Cohen Gerstel ihre Schuldgefühle komplex ausleuchtet, bleibt der palästinensische Film des Themenabends von Selbstkritik völlig unbelastet. Der Olivenhain des israelisch-palästinensischen Filmemachers Nizar Hassan (Produzent: Hany Abu Assad, bekannt durch »Paradise Now«) ist eine Suche nach palästinensischer Identität, eine Geschichte von Flucht und Vertreibung, die in der Familie des Regisseurs jahrzehntelang tabu blieb. Ein eigentlich spannendes Thema, das aber wegen der undifferenziert anti-israelischen St0ßrichtung des Films nicht zum Tragen kommt.
»In sehr starker Isolation voneinander«, sagt Sabine Bubeck-Paaz, arte-Redakteurin beim ZDF, seien die beiden Dokumentationen entstanden. Die Autoren wollten während der Entstehung nicht miteinander über ihre Filme sprechen. Zu einem gemeinsamen Projekt dürfte es auch in Zukunft nicht kommen. Zwischen Kooperation und Kollaboration mit Israel sehe er kaum Unterschiede, sagte Hassan bei der Präsentation der Filme in Berlin. Außerdem hätten palästinensische Filmemacher kürzlich dazu aufgerufen, nicht mehr mit der israelischen Filmbranche zusammenzuarbeiten. Auch politische Gespräche mit Israel seien erst wieder sinnvoll, wenn die Palästinenser herausgefunden hätten, »wer sie sind«. »Keine einfache Situation für Cohen Gerstel. »Hier mit Nizar zu sitzen, ist manchmal einfach unmöglich«, erklärte sie, und kommentierte den Boykottaufruf: »Ja, es ärgert mich. Aber was soll ich machen?«