von Norbert Jessen
Keiner will ihn, alle reden von ihm: Der Krieg zwischen Israel und Syrien »noch diesen Sommer« taucht immer wieder in den Schlagzeilen auf, mal gepaart mit Signalen diplomatischer Verhandlungs-, mal mit militärischer Kampfbereitschaft. Beide Seiten verwickeln sich dabei in Widersprüche. »Viel Paranoia und wenig Logik« erkennt Uri Sagui. Vor einem Jahrzehnt kommandierte er Israels Nordabschnitt und vertrat das Land 2000 in Shepherdstown als Unterhändler in den Gesprächen mit Syrien. »So nah der Frieden uns damals erschien, so nah erscheint heute der Krieg.«
Auf dem seit Jahrzehnten friedlichen Golan hält Israels Armee Manöver ab, die umfangreicher und intensiver als in den Vorjahren sind. Die Armeeführung verweist auf den Nachholbedarf, der nach dem Libanonkrieg vor einem Jahr anstehe. Israel befürchtet, der missverständliche Kriegsausgang könnte die Feinde im Norden zu einer Neuauflage verleiten. In Syrien wächst derweil die Furcht, Israel könne 2007 versucht sein, eine klarere Ent- scheidung als 2006 zu erzwingen.
Beim israelischen Geheimdienst häufen sich die Meldungen über verstärkte Waffenkäufe der syrischen Armee: Raketen, vor allem gegen Panzer und Flugabwehrsysteme. Das, was eine Armee braucht, die aus der Erfahrung der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah Lehren für einen neuen Krieg gegen Israel gezogen hat. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hakt zum »Jahrestag des göttlichen Sieges« auch noch einmal nach: »Werden wir angegriffen, halten wir große Überraschungen parat.«
Die Missverständnisse zwischen Israel und Syrien wären womöglich nicht so häufig, wenn ihnen deutlichere Klarstellungen folgen würden. »Wir werden keinen Krieg beginnen«, erklärte der syrische Vizepräsident Faruk al-Schara, »auch wenn wir uns immer bereit halten, israelische Aggressionen zurückzuschlagen.« Israels Verteidigungsminister Ehud Barak wollte die Kriegsstimmung mit den Worten dämpfen: »Ein Krieg muss nicht kommen.« Die Zeitung Haaretz bezweifelte, ob die Botschaft in Damaskus in dieser Form hörbar war.
Ihre Wurzeln haben die zweideutigen Kriegsdrohungen im ebenso zweideutigen Friedenswerben der letzten Jahre. Auch da folgt den Worten Misstrauen statt Einigung. Syriens Beharren auf US-Vermittlung und Ablehnung direkter Gespräche versteht Israel als Versuch Syriens, den US-Boykott zu unterlaufen. Präsident Baschar al-Assad könne an Frieden mit Israel nur wenig Interesse haben, heißt es, bezieht die Herrschaft seiner alawitischen Familie im sunnitischen Syrien ihre einzige Legitimation doch aus dem Kriegszustand mit Israel. In Damaskus zweifelt man hingegen an der Verhandlungsfähigkeit Ehud Olmerts, der einer Räumung des besetzten Golans kaum wird zustimmen können.
Trotz aller Widersprüche und Waffenkäufe bleibt Israels Armee bei ihrer These: Krieg mit Syrien findet dieses Jahr nicht mehr statt. Klingt rational. Aber auch rational denkende Menschen können bedroht sein.