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Zwei Juden – drei Meinungen

Schon kurz nach der Ankündigung war es ausverkauft: Das Streitgespräch zwischen Alan Dershowitz und Jeremy Ben-Ami, moderiert von dem früheren New Yorker Gouverneur Eliot Spitzer, im 92nd Street Y, Manhattans jüdischem Kulturzentrum. Dershowitz, ein Staranwalt und Inhaber des Felix-Frankfurter-Lehrstuhls an der Harvard University, hat für Folter bei Kriegsgefangenen plädiert und sich über sein Buch The Case For Israel einen öffentlichen Krieg mit dem Politikwissenschaftler Norman Finkelstein geliefert. Ben-Ami, ebenfalls Jurist, steht politisch links von Dershowitz. Der frühere Berater von Bill Clinton und Präsidentschaftskandidat Howard Dean ist Gründungsdirektor von J-Street. Das ist eine relativ neue, linksliberale jüdische Lobbygruppe in Washington, die angetreten ist, die Macht der alten Platzhasen zu brechen, allen voran AIPAC, das American-Israel Action Committee, das, so Kritiker, in den Bush-Jahren zum verlängerten Arm des israelischen Likud geworden sei.
Vor dem 92nd Street Y verteilen linke New Yorker Juden, Vertreter der Gruppe »Jews Say No«, Flugblätter gegen die israelische Besatzung und einen Brief des früheren UNO-Chefanklägers Richard Goldstone, der Kriegsverbrechen im Gasakrieg un- tersucht hat. Mehrere Besucher beschimpfen die Demonstranten, und die Stimmung im Saal, wo sich mehr als tausend Menschen drängen, ist schon heiß, bevor die Debatte beginnt. Dershowitz erhält den ersten Beifall, als er sagt, die Palästinenser hätten die Hamas, die Hass gegen Juden lehre, demokratisch gewählt.
Beifall bekommt Dershowitz auch, als er fordert, bei allen Verhandlungen die Vereinten Nationen außen vor zu lassen. Die seien korrupt, und die Blauhelme als Soldaten untauglich. Wenn es nötig sein sollte, zwischen Israel und dem Westjordanland eine militärische Pufferzone einzurichten, dann sollten dort Kanadier stehen oder NATO-Truppen. Dann äußert sich Dershowitz zu Richard Goldstone: Der habe Gräuelmärchen der Palästinenser für bare Münze genommen und sei als Feigenblatt zum Vorsitzenden der Kommission gemacht worden, nur weil er Jude sei. Dagegen wendet sich Ben-Ami scharf: Goldstone sei ein Zionist, dessen Tochter in Israel wohne. Die Menschen im Saal buhen ihn dafür aus.
Nun will Spitzer die Gemüter beruhigen. Er fragt, wo es Gemeinsamkeiten zwischen beiden gebe. Und die gibt es tatsächlich. Beide wollen, dass die Siedlungen im Westjordanland abgebaut werden, wenngleich Dershowitz betont, dass sie nicht die Ursache für die Wut der Palästinenser seien und auch nicht illegal. In seiner Erklärung greift der Anwalt zurück auf 1967, und auf 1948, unterbrochen von Ben-Ami, der sagt, die Vergangenheit interessiere ihn nicht, nur die Zukunft, ein Sentiment, das vom Publikum geteilt wird: Beide wollen die Zweistaatenlösung ohne ein Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge, und sie lehnen einen gemeinsamen Staat für Juden und Palästinenser ab. »Es wird dafür höchste Zeit«, sagt Ben-Ami. Denn in wenigen Jahren werde es vermutlich überhaupt nicht mehr möglich sein.
Einig sind sich beide Seiten auch darin, dass Israels Sicherheitspolitik nicht kritisiert werden dürfe und dass die USA Israel nicht durch die Drohung unter Druck setzen dürften, Zuschüsse zu kürzen. »Israels Finanzierung muss gewährleistet sein«, sagt Ben-Ami. Dershowitz betont: »Wie kann Amerika Israel, das so viel gelitten hat, Vorschriften machen?«
Und auch die Bombe, an der der Iran baut, beunruhigt beide, wenngleich Dershowitz die Gefahr für drängender hält als Ben-Ami. Dershowitz will deshalb nicht, dass Amerika die »militärische Option« vom Tisch nimmt, wenngleich er nicht glaubt, dass die Obama-Regierung tatsächlich losschlägt. Ben-Ami warnt hingegen, dass der Mittlere Osten ein Pulverfass sei, eine unbedachte Aktion könne US-Truppen in Gefahr bringen.
Wo sich nun beide schon fast einig sind – die Buhrufe aus dem Publikum gegen Ben-Ami haben deutlich nachgelassen –, schlägt Dershowitz vor, J-Street solle sich mit AIPAC zusammentun. »Das Letzte, was wir brauchen, ist noch eine Organisation, die uns spaltet«, sagt er. Dafür solle sich AIPAC im Gegenzug von den rechten Extremisten lösen, allen voran von den christlichen Zionisten. Eine »Hochzeit« mit AIPAC will Ben-Ami nicht. »Wie stellen Sie sich das vor?«, meint er. »Meine Familie hat drei Mitglieder, und die haben fünf Meinungen zu Israel.« Eva Schweitzer

Kultur

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